Das Vorbild

Roman

von

„Lebensbilder -Vorbilder“: So heißt der Teil eines neuen deutschen Lesebuchs, den drei erfahrene Pädagogen – in offiziellem Auftrag zwar, aber in eigener Verantwortung – zusammenstellen und herausgeben sollen. Die drei ungleichen Erzieher treffen sich in ereignisreicher Zeit in Harnburg, ausgerüstet mit Vorschlägen und Bekenntnissen, jeder davon überzeugt, das eigene Beispiel durchbringen zu können. Sichtend, wertend, urteilend, so wie es der Arbeitswelt eines Pädagogen entspricht, machen sie sich, durchaus kämpferisch eingestellt, an eine kaum lösbare Aufgabe. Doch der Griff in die Literatur, mit dem sie es zunächst versuchen, erbringt nur Literatur; der Griff ins Leben selbst dagegen stößt immer wieder auf das Hindernis des Zweifels – und die Last zweifelnder Überzeugung trägt sich schwer, wenn einem das Leben ohnehin schon Lasten aufbürdete. Schon zur Kapitulation bereit, erhalten die drei einen unerwarteten Hinweis von außen: Er gilt keinem überIebensgroßen, halbentrückten Vorbild, sondern einem Menschen „von nebenan“: Einer Wissenschaftlerin, die in einer exemplarischen politischen Situation ein außerordentliches Beispiel demonstrativer Anteilnahme anbot. Welche Zensur, welche Note wird diese zwar amateurhafte und wirkungslose, aber moralisch beispielhafte Aktion erhalten? Und wie umstritten schließlich muß Leben sein, damit es uns noch als menschliches Leben vorkommt?

„Siegfried Lenz“ -so schrieb Helmut Castagne in der Frankfurter Neuen Presse -„erreicht in diesem Roman die Höhe der stärksten Realisten, anschaulich und hintergründig; mit dem Humor eines Gottfried Keller entdeckt er hinter dem Dinglichen oft poetischen Glanz.“