In den Anfangsjahren ihres Schreibens wurde Karin Flörsheim, wie sie in ihrem Vorwort schreibt, auf einem in Düsseldorf stattfindenden Lyrikabend mit Rose Ausländer aufgefordert, ihre Gedichte vorzutragen. „Die Gedichte sind sensibel und gut“, damals der Kommentar der großen Dichterin, die in den letzten Jahren in Düsseldorf wohnhaft war, seit über 50 Jahren auch Heimatstadt der Autorin und Malerin Karin Flörsheim, die nun im Vechtaer Geest-Verlag, einer der wenigen Verlage, der auch heute noch einen großen Teils seines Programms einer hochwertigen Lyrik widmet, eine Auswahl ihrer Gedichte aus den letzten 20 Jahren vorlegt. Grüne Mondzeit / Tropft in diese / Stunde / Füllt den Spiegel / Der Erinnerung / Blumendüfte / Denk ich nicht / Zu Ende / Gras verweht / In andere Zeit
Die Intensität und Originalität der Bildlichkeit, ihre Prägnanz der Kürze sind die hervorstechenden sprachlichen Mittel der Autorin. Gleichwohl ist jedes Gedicht, gleich welchen Schmerz, welche Trauer, welches Entsetzen es ausdrückt, in sich harmonisch, bedingt durch Sprachfluss und Sprachverwendung und das dahinter liegende emotionale Empfinden. Dass Karin Flörsheim, die in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag feiert, einer größeren literarischen Öffentlichkeit verborgen geblieben ist, verwundert und erschreckt, denn in nichts steht ihre sprachliche Fähigkeit der bildnerischen, in der sie mit ihrem eigenen Druckwerkstatt und zahlreichen Ausstellungen auch in der Landeshauptstadt doch beachtliche Erfolge erzielte, hinterher.
Inhaltlich sind viele Gedichte von einer tiefen, teilweise verzweifelten Melancholie durchzogen, Verzweiflung an einer sich zerstörenden Welt, in der selbst Klagemauern vermodern. Die Natürlichkeit eines wie auch immer gearteten ‚schönen’ Seins, zerstört sich, selbst die immer wieder beschriebenen Blumendüfte, ja selbst Engelsflügel zerfließen. Das immer wieder beschworene Blau der Hoffnung, tritt in neueren Gedichten immer weiter zurück, zu einem noch unbestimmteren Hoffen. Selbst der Himmel verliert seine Fähigkeit des Trostes – Sternengrün /Und Todeskissen/ Da tanzen / Die Krähen.
Die Welt hat sich radikal enthumanisiert und damit auch die Stellung und Möglichkeit der Poesie: Früher / In anderen / Zeiten / Schrieb der Tag /Helle und klare / Verse / Schrieb die Nacht / Dunkel und / Ahnungsvoll / Heute / Beim Aufschlag / Meiner Augen schon / Schreibt der Tag / Verzweifelte Zeilen.
Ein Band voller Lyrik, durch ihre eigenen Grafiken wunderbar ergänzt, der absticht gegenüber der sprachlich-inhaltlichen Oberflächlichkeit doch so vieler lyrischer Bände heute. Karin Flörsheim sammelt die Wörter, die aus den Büchern der Jahrhunderte gefallen sind, Wissen und Emotion von uns Menschen beinhalten. Es ist ihr Verdienst, dass sie nicht achtlos auf dem Boden liegen bleiben, sondern neu zusammengesetzt, letzte Funken des Humanen entfalten in uns. Vielleicht / Kehren sie zurück /In den Mund /Der Schöpfung.
- Veröffentlicht am Mittwoch 22. Februar 2006 von Geest-Verlag
- ISBN: 9783866850170
- 152 Seiten
- Genre: Belletristik, Lyrik