Andreas Rüdiger gilt als der bedeutendste und eigenständigste Schüler Christian Thomasius’. In der Philosophiegeschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts wird er meist als Eklektiker bezeichnet. Über Thomasius hinaus ist er vor allem der englischen Philosophie mit John Locke, Thomas Hobbes und in der Physik Henry Moore verpflichtet. Die Philosophia synthetica von 1707 ist Rüdigers erste Darstellung der gesamten Philosophie zum Gebrauch seiner Hörer. Bereits im Titel weist er auf das ebenso thomasianisch wie eklektisch inspirierte Ziel der eigenen Wahrheitsfindung und -beurteilung hin. Die Aufgabe der Philosophie besteht in der Erkenntnis jener Wahrheit, die nicht jedem sogleich offenbar, aber doch nützlich ist. Andreas Rüdiger konzipiert und schreibt im Rahmen der deutschen Universitätsphilosophie erstmals Philosophie und insbesondere die Metaphysik als „Erfahrungswissenschaft“. In einem bis dahin nicht gegebenen Ausmaß nimmt er bereits in seiner ersten Gesamtdarstellung die erkenntnistheoretische Fragestellung als Ausgangspunkt aller philosophischen Erkenntnis, Begriffsbildung und Methodologie in sein Werk auf.
Rüdigers Neubegründung der Philosophie auf innerer und äußerer Erfahrung und seine wissenschaftstheoretische Konzeption der Metaphysik, wie er sie vollendet in der Philosophia pragmatica vorgelegt hat, wurde von der zeitgenössischen Kritik und von der Wolff-Schule abgelehnt. Doch wurde hier erstmals Metaphysik als „Erfahrungswissenschaft“ konzipiert und geschrieben. Rüdiger wirkte über seine Schüler August Friedrich Müller, Adolph Friedrich Hoffmann und deren Schüler Christian August Crusius auf das Denken des jungen Kant, der auch in seiner kritischen Periode in vielem der empirischen Fundierung der Philosophie bei Rüdiger verpflichtet blieb.
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Andreas Rüdiger was one of Christian Thomasius’s most important and independent pupils. In histories of 18th-century philosophy he is usually described as an Eclectic. Apart from Thomasius he owes most to the English philosophers John Locke and Thomas Hobbes and the physicist Henry Moore. The Philosophia synthetica of 1707 was Rüdiger’s first attempt to present his complete philosophy to an audience. The title itself indicates the inspiration – both Thomasian and Eclectic – for his goal of discovering and judging truth. The task of philosophy is to recognise that truth which is not immediately obvious to all, but is still of use. Andreas Rüdiger, for the first time in the context of German academic philosophy, conceives and describes philosophy, and specifically metaphysics, as an “empirical science”. This very first description of his philosophy takes epistemological questions as the starting point for all philosophical understanding, conception and methodology, to a previously unprecedented degree.
Rüdiger’s re-establishment of philosophy on the basis of internal and external experience and his epistemological conception of metaphysics as perfected in his Philosophia pragmatica was rejected by contemporary criticism and the school of Christian Wolff. But this was the first time that metaphysics was conceived and expressed as an empirical science. Through his disciples August Friedrich Müller, Adolph Friedrich Hoffmann and Hoffmann’s pupil Christian August Crusius, Rüdiger influenced the thought of the young Kant who, even in his critical period owed much to Rüdiger’s empirical foundation of philosophy.
- Veröffentlicht am Mittwoch 20. November 2024 von Olms, Georg
- ISBN: 9783487142425
- 924 Seiten
- Genre: Aufklärung, Hardcover, Philosophie, Renaissance, Softcover