Der lachende Himmel

Gott spielen will gekonnt sein. Abgesang auf die Mythen der Moderne

von

Rastlos sucht die Physik nach den kleinsten „Bausteinen“ der Natur. Ihre Terminologie verrät, wie sehr Substanzontologien und eine atomistische Metaphysik ihr Vorverständnis prägen. Nach den „Baumeistern“ der Wirklichkeit wird gar nicht erst gefragt. Die Populärwissenschaft kolportiert weiterhin materialistische Dogmen, die kaum plausibler als die vermeintlich diskreditierten religiösen Ideen sind. Zwar spricht sich langsam herum, dass das mechanistische Weltbild durch den Fortschritt der Physik überholt ist, aber nach wie vor bestimmt der ererbte Geist-Materie-Dualismus unser Denken. Der Wissenschaftliche Materialismus gibt sich monistisch, glaubt aber an die immaterielle Existenz von Naturgesetzen, welche die materielle Welt wie von Geisterhand regieren. Die Metapher der „trägen Materie“ – von Newton mit dem Massekonzept verknüpft und durch das Trägheitsgesetz scheinbar bewiesen – teilt die Welt rein definitorisch in Beweger und Bewegte auf. Das kausale Denkschema sorgt zudem dafür, dass zielgerichtete Prozesse in der Natur ausgeschlossen sind. Aus prinzipiellen Gründen sind die Naturwissenschaften teleophob. Wer Ursachen sucht, will die Zukunft aus der Vergangenheit folgern. Ein Schöpfer, der Ziele verfolgt, wirkt da deplatziert.

Wer oder was in der physikalischen Welt der Wechselwirkung agiert, bleibt indes unklar. Zwar redet man von actio und reactio, „erklärt“ aber jede Änderung des Bewegungsverhaltens materieller Objekte mit quasi immateriellen Kräften und Gesetzen. Ein Dualismus zwischen Körpern und Kräften, Materie und Gesetz, Sache und Ursache ist die Folge. Interaktionen ohne Akteure sind jedoch ein Unding, und Reaktionen ohne Perzeptionen wären richtungslos. Bei unbefangener Betrachtung zeigt sich, dass Pflanzen auch ohne Sinnesorgane „wahrnehmen“, z. B. auf Licht oder Feuchtigkeit ansprechen. In der unbelebten Natur gibt es starke Analogien zur Wahrnehmung der Organismen, die sich als Richtungssinn zeigen und in diszernentem Verhalten manifestieren.

„Anorganische“ Körper sind wohlorganisierte innere Ganzheiten, die Änderungen in ihrem Umfeld erfassen und als ganzes darauf reagieren. Ihr diszernentes Verhalten beruht auf der Fähigkeit zur Differenzerfassung. Sie sind „feldoffen“ und reagieren mit Verhaltensänderung auf Veränderungen in ihrem Umfeld. Ohne Wahrnehmung des Umfeldes wäre Interaktion ziellos, ohne Interaktion Wahrnehmung nutzlos. Akteure mit Richtungssinn, Wahrnehmung und Wechselwirkung, sind die „Mutter aller Dinge“. Perzeptionen – die Fähigkeit der Interagenten, Unterschiede auszumachen, die ihnen etwas ausmachen, da sie ihr Verhalten danach ausrichten – sind ein integraler Aspekt jeder Wechselwirkung. Die sog. Naturgesetze sind dem physikalischen Prozess nicht vorgeordnet, sondern sein Ergebnis. Sie lassen sich als Interaktionserfolg bei zunehmender Komplexität deuten.

Eine Philosophie der Interaktion hat darzulegen, wie genuin Neues in der Welt passieren kann. Die Wissenschaft legt Wert auf Prognosen und hasst Überraschungen. Doch was neu ist, kommt immer überraschend. Anfangs ist der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ein Überraschungseffekt, an den wir uns im Wiederholungsfalle gewöhnen. Die Welt steckt nicht nur voller Überraschungen, sondern ist selber eine, weil ihr Dasein ein extremer Glücksfall, ja sogar unmöglich ist. Der kausale Tunnelblick auf die Natur verkennt das Überraschungspotential der Schöpfung und leugnet die Eigenbewegung der Interagenten. Sie würden bewegt (Passivform) und seien unbegabt, sich zu bewegen (Reflexivform), meint man. Ihre Bewegungen seien verursacht, nicht motiviert. Dabei ist alles, was sich rührt, immer auf etwas anderes aus, das in seinen Horizont eintritt und ihm Beweggründe liefert! Der Determinismus des Kausaldenkens, verbunden mit einem leibfeindlichen Objektivitätsideal, das der sinnlichen Wahrnehmung grundsätzlich misstraut, ist unvernünftig. Die Überschrift des Anhangs lautet daher provokativ: Sind Wissenschaft und Vernunft vereinbar?