Das Todeserlebnis des Manes

Drama

von

Aus einer Besprechung der Uraufführung am Goetheanum vom 15.April 1935 unter dem Motto: Und das Licht scheinet in der Finsternis, und die Finsternisse haben es nicht begriffen (Joh. 1,5) „. Das Todeserlebnis des Manes ist das Mysterium von der Überwindung der dunkeln Vernichtungsmächte durch die lichten Kräfte des Geistes, gezeigt am Leben des persischen Propheten Mani, der im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Lichtlehre Zarathustras mit der Erlösungsreligion Christi verbinden wollte, und als Märtyrer seines Glaubens gefallen ist. Die fünf Akte sind nicht nur Bilder, sondern auch Stufen der Anschauung, nur schwach durch dramatische Spannung im herkömmlichen Sinne verbunden, und in die dramatischen Bilder hineingestellt erscheinen als Geistgestalten Visionen, die das Geschehen deuten und den Symbolgehalt der eigentlichen Handlung zu einem neuen sinnbildlichen Erlebnis steigern. Um Schuld geht es, durch die auch der Hochstehende hindurch muß, will er sie überwinden, will er in sich die heilenden Kräfte entwickeln. Ist die rohe Triebsgestalt des Menschen durch Liebe erlöst, dann ist die Finsternis so vom Lichte durchdrungen, daß der Körpertod all seinen Stachel verloren hat.
Manes befreit durch sein Dazwischentreten einen Feind vom Kreuzestod, zeigt aber vor dem König selber Schwäche und verfällt der Lüge; darum kann der Königssohn, der unter der Wucht des Einbruchs der Todesmächte in den Bereich seiner Reinheit und Unschuld zusammengebrochen ist, keine Hilfe von dem Propheten bekommen und muß sterben. Manes nimmt diesen Tod als seine Schuld auf sich und will sie durch Unterwerfung unter das Urteil des Königs mit seinem Leben bezahlen, allein die Königin Nadhira zwingt ihn zu seiner Sendung zurück. Eine neue Prüfung bringt Manes das Konzil der Christenheit; er hat es in der Hand dem christlichen Glauben zur Weltmacht zu verhelfen; doch er weigert sich, denn sein Reich ist nicht von dieser Welt. – Macht kann nicht erlösen, sie ist böse! – Lieber geht er in die Verbannung. Noch eine letzte, schwerste Prüfung ist ihm beschieden, bevor er im Opfergang seine Schuld bezahlen und im Sterben Erlösung finden kann, der Sieg über alles selbstsüchtige Glücksverlangen. Am Königshof von Simurghien, seinem Zufluchtsort, bietet sich ihm in der Liebe der Königstochter die Welt in ihrer zartesten und feinsten Blüte. Trotzdem er selber tief ergriffen ist, überwindet er im Verzicht und folgt seiner dunkeln Bestimmung. Manes kehrt zu Nadhira nach Persien zurück. Noch einmal darf er am Blumenopfer einer Totenfeier das Liebesgebot seines milden Glaubens verkünden, den Hymnus der Weltversöhnung zelebrieren, dann fällt er als Opfer der dunkeln Gewalten. Die Finsternis siegt, aber das Licht ist in der Finsternis.
. Als wir auf die hochgelegene Terrasse hinaustraten, hatte der Aprilwind für eine kurze Weile den Himmel von allen Wolken befreit, und Mond und Sterne standen über der weiten nächtigen Landschaft. Ging vorher der Blick einwärts in die Unendlichkeiten der Seele, bot sich in dieser neuen Schau die Unendlichkeit des ganzen Kosmos dar. Und siehe, innen und außen war eines: Licht in der Finsternis.“ (k. in den „Basler Nachrichten“ vom 17.April 1937)