Kleines ABC der Freiheiten

Feuilletons

von

Ein (Geschenk-)Buch für alle, die nicht nur gern lachen und lieben, sondern auch einen kritischen Blick auf die unergründliche Spezies ‚Mitmensch‘ werfen. Mit journalistischem Blick schreibt Hilal Sezgin bissige Glossen und Kurzgeschichten über mehr oder weniger alleinstehende Großstädterinnen, schrullige Freunde, Nachbarn, Frauenversteher, Islamexpertinnen, Wohnungsliebhaber und Care-Großmütter. Ihre besondere Sympathie aber gilt Katzen und anderem Getier …

Der Kollege ist in seine dreieckige Wohnung vernarrt, die Nachbarin in ihre Taucherbrille, und der einsame Akademiker liebt eine Bar voller Stringtangas … Von Männern und Frauen mit kleinen Sonderheiten erzählen diese blitzgescheiten Feuilletons. Nicht wenige von ihnen handeln vom, seien wir ehrlich, nicht durchweg zuckrigen Leben der metropolen Singlefrau, die beständig von Liebeskummer geplagt wird. Zur Ablenkung sucht sie Antworten auf existenzielle Fragen wie: Warum wandern trotz Frauenbewegung die Hüfthosen an der weiblichen Anatomie immer tiefer? Warum sitzen Frauen immer noch nicht am Steuer und wieso tragen Männer nach wie vor keine Röcke? Auch zwischen Kopftuchhysterie und Islamismusfieber hindurch bahnt Hilal Sezgin mit ihren Erzählungen von Musliminnen in Deutschland einen besonderen Weg: Da ist die junge Türkin, die aus dem Sommerurlaub überraschend einen Ehemann mitbringt, oder das Mädchen, das als Junge verkleidet nach Mekka pilgert …

Hilal Sezgin, geboren 1970 in Frankfurt am Main, studierte Philosophie und betreut seit 1999 die Sachbuchredaktion der Frankfurter Rundschau. Ebenfalls 1999 erschien ihr Kriminalroman ‚Der Tod des Maßschneiders‘ (Hoffmann und Campe). Als freie Autorin schreibt sie unter anderem für ‚Kursbuch‘ und ‚Literaturen‘ sowie für die Kolumne ‚Times mager‘ der Frankfurter Rundschau, wo auszugsweise auch das ‚Kleine ABC der Freiheiten‘ erschien. Im Juni 2005 erhält Hilal Sezgin den Nachwuchspreis des Journalistinnenbundes.

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Leseprobe:

Süßigkeit

Wir Frauen sind ja dafür bekannt, dass wir allerlei Dinge mit dem Attribut ›süß‹ belegen, die Kuh neben der Autobahn zum Beispiel, oder Kaffeetassen mit bunten Motiven. Und wenn wir etwas süß finden, greifen wir auch, selbst wenn dieses Etwas von sich aus eigentlich schon nicht sehr groß ist, gern mal zur Verkleinerungsform: ‚Guck mal, das Vögelchen kämpft aber mit einem langen Zweig!‘ Überhaupt bedienen wir uns metaphorisch des Tierreichs und seiner vielfältigen entzückenden Bewohner, um auch den zwischenmenschlichen Alltag aufzuhellen, deswegen sagen wir zueinander ‚Schätzchen‘ und zu dem Lieblingskollegen ‚Hasi‘. (…) Immer wieder wenden wir den Süßigkeitstrick auch auf uns selbst an, wir reißen die Augen auf, lächeln viel oder ziehen einen echten Flunsch; noch die Cleversten unter uns können ihre Stimme von 150 Prozent akademisch jederzeit auf Kindergarten runterschalten, drehen mit den Fingern in den Haaren und schauen dabei verschämt zu Boden. Denn wir machen herzallerliebst auf kleines Mädchen, so lange wir damit gut fahren – und einige fahren damit bestens bis weit über siebzig!