autorenmorgen

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Sein Job als Universitätsassistent für Philosophie, mit Arbeitsschwerpunkt Beat Generation und die Revolte der 68er, hängt an einem seidenen Faden. Seine Frau Helene und die pubertierende Tochter nehmen kaum noch Notiz von ihm. Ohnehin sehen sie ihn oft tagelang nicht, wenn er sich mit Alkohol und Drogen in seinem „Rückzugszimmer“ einschließt.

Schwierig entwickelt sich auch die Beziehung zu Paulus, einem Kollegen und seit Kindheitstagen brüderlichen Freund: Während er selbst gezwungen ist, als Taxifahrer dazu zu verdienen, wird Paulus, der aus seiner Zuneigung zu Helene kein Geheimnis macht, zu den herausragenden Vertretern des Fachs gezählt. Faust ist am wahrscheinlich wichtigsten Wendepunkt seines Lebens angelangt.

Als der Freund ihm die organisatorische Verantwortung für eine Lesetour anbietet, willigt er aus wirtschaftlichem Kalkül ein. Faust und Paulus treten eine Reise an, eine tour d‘horizon in die Philosophie, deren Verlauf die Schwächen des Stärkeren und die Stärken des Schwächeren aufdecken wird.

Wie kein anderer literarischer Protagonist der letzten Jahre veranschaulicht sein Gegenwarts-Faust das Elend des einsam reflektierenden Menschen, der seinen Platz in der Welt nur unter gleichzeitigem Verrat an den eigenen Werten finden kann. Dabei ist er ein mindestens so komischer wie tragischer Held, wenn er weiß, dass ihm sein Wissen um die Probleme allein nicht weiterhilft, er vielmehr zu handeln beginnen muss, noch bevor er Gewissheit erlangt, dass etwas wie Gewissheit sich vielleicht erst im Zuge dieses Handelns einstellen wird.