Echnaton

Roman

von

Wie in der „Parabel“ steht auch in „Echnaton“ Claudio Reich im Mittelpunkt des Geschehens. Nachdem er die Wahrheit über seine Herkunft erfahren hat und erst dadurch die abgründige Tiefe seiner Schuld ermessen kann, fährt er auf Einladung eines Jugendfreundes, der in der Zwischenzeit unermesslich reich geworden ist, nach Südafrika. Vor seiner Reise hatte er sich, nach dem Zerwürfnis mit seiner Freundin, in die Stille eines Klosters zurückgezogen, wo er vergeblich versucht hatte, die Bhagavadgita, den Gesang des Erhabenen, zu vertonen: es blieben nur Notizen auf Notizpapier. In Umhlanga Rocks, am Indischen Ozean, beschliesst Claudio, die Chronik, die ihm anlässlich der Eröffnung über seine Herkunft als Erbe überreicht und die von einem Urahnen einst begonnen wurde, alchemistisch umzuwandeln, sich in frühere Zeiten zurückzuversetzen, um zu seiner eigentlichen Quelle zu gelangen. Gleichzeitig mit der Weiterführung der Chronik, dem Gefäss der Summe von Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart, beginnt der mit der Niederschrift der gegenwärtigen Ereignisse. Seine Reise ins innere Selbst führt durch die Jahrhunderte, letztlich aber immer wieder seinem verlorenen Freund entgegen. Er folgt seinen Spuren von den Quellen des Nils zum Delta nach Kairo und unternimmt die gleiche Reise, sie sein Freund Jahre zuvor in umgekehrter Richtung gemacht hat.
Aus der Erkenntnis, dass unsere gegenwärtige Existenz vor- und mitbestimmt ist von urzeitlichen Mythen und Gesetzmässigkeiten, die sich wiederholen, schafft Bachmann ein neues Epos. Alles soll nochmals entstehen, was die Kosmologie zum Mythos, der Mythos zur Geschichte und die Geschichte zur Sage werden liess. Der Romanheld stilisiert sich selbst zur Legende als einzige Möglichkeit, seine Schuld zu verkraften und weiterzuleben. Claudio Reich hält dem Echnaton-Stoff und der Ödipus-Sage seine eigene Geschichte entgegen, indem er die Chronik weiterführt, nicht mehr in der einengenden Form von Heften, sondern auf märchenhaften 1001 Blättern.