Verschenkte Töchter

Beichte einer Mutter. Roman

von

Zwei Frauen treffen sich im ICE Hamburg-München. Marga kommt gerade von einem der vielen Versuche, etwas über ihre leibliche Mutter zu erfahren. Erst nach dem Tod ihrer Adoptiveltern erfuhr sie, dass sie adoptiert worden war. Mehr nicht. Nichts. Simone, die sich zu Marga gesellt, kommt von einem ihrer vielen Versuche, ihre Enkelkinder sehen zu dürfen. Ihre Tochter, welche sie – ohne zwingenden Grund – in Adoption gegeben hat, kann ihr dies nicht verzeihen und stößt „diese Mutter“ herzlos, ja brutal zurück. „Wie konntest du?“, war das Einzige, was sie zu Simone gesagt hatte, als sich diese ihr verbotener Weise genähert und über ihre „Mutter-Tochter-Beziehung“ aufgeklärt hatte. So erzählt Simone ihrer Reisegefährtin ihre ganze dramatische Lebensgeschichte, nicht ahnend, dass ihre Zuhörerin in der Situation ihrer eigenen Tochter ist. Mit dem Unterschied, dass Marga alles daran setzt, ihre „arme Mama“ zu finden, während Simone von ihrer Tochter gehasst und von ihr gestoßen wird, als hätte sie die Pest. Sie kann ihr niemals verzeihen, dass sie sich von ihrem Kind, also von ihr, getrennt und sie einfach weggegeben, also „verschenkt“, hat. Marga indes, welche mal in Simone ihre „arme Mama“, dann wieder sich selbst in der Rolle der enttäuschten Tochter sieht, erzählt nichts darüber; erzählt gar nichts über sich selbst. Simone fragt auch nicht danach; interessiert sich für Marga ausschließlich als „Beichtmutter“, nicht aber als Frau oder Mensch. Es durchlebt die verschwiegene Zuhörerin Höhen und Tiefen, welche ihr sowohl noch mehr Fragen als auch verschiedene Antworten in die Seele legen. Doch – sie schweigt. Während der mehrstündigen Bahnfahrt betrachtet Marga gezwungenermaßen ihre Adoptionsgeschichte aus verschiedenen Blickwinkeln. Doch zu einem Fazit kommt sie nicht. Damit muss sie sich erst lange Zeit, nachdem sich die Frauen in München wieder für immer voneinander verabschiedet haben, auseinandersetzen, sich fragen: „Will ich meine leibliche Mutter wirklich nach all dem, was ich da gehört habe, noch finden?“ Doch sie will. Und die Konsequenzen sind schrecklich.