Sicher, mit 94 Jahren hat die Offenburger Künstlerin Gretel Haas-Gerber ein beachtliches Alter erreicht. Dass in dieser Lebensspanne gut 4000 Zeichnungen entstanden, lässt dennoch auf eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Darstellungsform schließen. Es scheint, als habe die 1903 geborene Gretel Haas-Gerber schon immer gezeichnet: die Familie, Dinge, Landschaften, Menschen. Ihre Studien – nachdem sie in den 1920er Jahren die Badische Landeskunstschule in Karlsruhe besucht hatte, schrieb sie sich 1969 an der Düsseldorfer Akademie ein, wo sie Meisterschülerin von Karl Otto Goetz wurde – haben Spuren hinterlassen. Sie hatten eine neue technische Versiertheit, eine veränderte Thematik, insbesondere in den 1970er Jahren, zur Folge. Und als alte Frau unterzog Gretel Haas-Gerber sich und ihren hinfällig werdenden Körper einer eindringlichen und radikalen Selbstbeobachtung mit dem Grafitstift.
Diese Publikation ergänzt den 2007 zum malerischen Werk erschienenen Band „Gretel Haas-Gerber – Ich und die Welt“. Das Offenburger Ausstellungsprojekt macht nicht nur erstmals bislang unbekannte Werke publik, sondern lässt auch anhand der Zeichnung nachvollziehen, wie sich der künstlerische Werdegang von Gretel Haas-Gerber vollzog. Waren ihre Anfänge noch vom Realismus und dem Impressionismus geprägt, so wurden ihre Papierarbeiten, für die sie Farbkreide, Grafit, Tusche und Aquarellfarben verwendete, zunehmend gesellschaftskritischer und bezogen sich auf einen größeren Ausschnitt von Welt. „Ich war geradezu besessen vom Zeichnen“, so beschrieb sie im Rückblick ihre Lehrjahre in Karlsruhe, es sollte ihr eigentliches Lebensmotto werden.