eine weiße Wendeltreppe liegt am Straßenrand

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Wörter werden durchgestrichen, sind unleserlich oder verschwinden gänzlich, verdeckte Lettern sind weiß wie das Papier. Einzelne Satzteile werden herausgesprengt, der Text transformiert zu einer reliefartigen Struktur und es entstehen poetische und visuelle Formulierungen, die eine Vielzahl möglicher Assoziationen hervorrufen können – etwa an eine Musikpartitur, eine schwindende Traumerinnerung, die georgische Schrift oder gar Zensur …
Das Künstlerbuch eine weiße Wendeltreppe liegt am Straßenrand beschreibt den zweimonatigen Georgien-Aufenthalt der bildenden Künstlerin Ulrike Möschel im Herbst 2015. Schrift und Photographie werden in dem Versuch miteinander verwoben, Erinnerungen zu fixieren und daraus ein Zeitdokument als künstlerisches Objekt zu formen, in dem die Schwierigkeit, Ephemeres festzuhalten, ihre Entsprechung in der schwindenden Schrift und der Beiläufigkeit der Photographien findet. Die in unbearbeiteter Form einem ethnographischen Feldtagebuch ähnelnden Aufzeichnungen wandeln sich zu einem abstrakt anmutenden Wortgefüge, die spontanen und oft momenthaften Photographien bilden eigenständige Bildstrecken, verketten sich aber dennoch subtil mit den Satzfragmenten.
Faktisch-historische und kulturelle Gegebenheiten der bereisten Region werden – gleich einem komplexen Teppichmuster – verknüpft mit subjektiven Beobachtungen und einer intensiven Innenschau. Die Bearbeitung des Textes wurde begleitet von der Lektüre von Annemarie Schwarzenbachs »Tod in Persien«, dessen melancholisches Klima und Paradox des »unpersönlichen Tagebuchs« einen Widerhall in diesem Künstlerbuch finden. Die lesbaren Bruchstücke entstehen somit in einem Spannungsfeld der sowohl auf die Innen- als auch auf die Außenwelt gerichteten Aufzeichnungen einer Reisenden.