»Ein Kunstwerk ist ein Denk mal!«
An diesen Satz des Bonner Philosophen Markus Gabriel wird Erwin Wurm vielleicht gedacht haben, als er sich aufmachte, um dem Philosophen Johann Gottlieb Fichte im Kunstmuseum Wolfsburg ein Denkmal zu setzen. Wer Wurm kennt, wird sich nicht weiter darüber wundern, dass er das nicht mithilfe von Fichten bewerkstelligt, was (zu) naheliegend gewesen wäre, sondern mit Nordmanntannen, die er zudem von den Füßen holt und kopfüber zu einer kapitalen Waldskulptur verdichtet.
Wenn Erwin Wurm in Aktion tritt, kommt eigentlich nie etwas Herkömmliches dabei heraus. Und so verhält es sich auch bei dem Künstlerbuch, das er zur Wolfsburger Ausstellung entwickelt hat: Wer nämlich wissen will, was sich im Inneren des Buches verbirgt, muss zuerst einmal selbst Hand anlegen und die Seiten des Buches mit einem Messer aufschneiden. Wurms Handlungsanweisung auf Seite 1 und die Notwendigkeit des Mitmachens rücken das Buch ganz in die Nähe der legendären „One Minute Sculptures“ und sorgen ganz nebenbei dafür, dass trotz industrieller Fertigung lauter Einzelstücke entstehen, die sich mit den Käufern übers Land verbreiten und durch ihren Bezug zur Ausstellung diese dauerhaft um eine Arbeit erweitern. Denn hat man sich erst einmal Zugang verschafft, taucht man in einer über 80-seitigen Bildstrecke aus Fotos, Zeichnungen und Collagen in den „Kosmos Wurm“ ein und kann nachvollziehen, wie der Künstler seine Ausstellung entwickelt hat und wie die Dinge (für ihn) zusammenhängen.
Inwiefern das Fichte-Projekt eine politische Dimension hat und was das alles mit zivilem Ungehorsam, mit dem Philosophen Fichte und – last, not least – mit dem Neuen Realismus zu tun hat, erklären Björn Egging vom Kunstmuseum Wolfsburg sowie vor allem der bereits genannte Bonner Philosoph Markus Gabriel in ihren Essays.
Wie ICH, diese drei Buchstaben, der Mittelteils des Wortes NichTS sind (Andreas Maier), sind ICH und NICHT-ICH Fragmente des Namens FichtE (Markus Gabriel).