Drei Protagonisten, drei Epochen, drei Länder – und Norwegen ist nicht dabei. China, USA und die alte Welt Europas. Zukunft, Gegenwart und 19. Jahrhundert. Bienenersatzfrau Tao, Bienenzüchter George und Bienenstock-Erfinder Wiliam. Der Roman der Norwegerin Maja Lunde schlägt den Erzählbogen vom Beginn der Bienenzucht samt Konstruktion des optimalen Bienenstocks bis hin zur minutiös überwachten künstlichen Befruchtung in China im Jahr 2098. Verknüpft werden die drei Stränge durch ein ökologisch bedrohliches Thema: das Aussterben der Bienen.
Die Geschichte beginnt in der Zukunft: Tao schuftet in der chinesischen Provinz Sizuchan als fleißige Blütenbestäuberin: Fehler nicht gestattet – jede Blüte zählt. Nur das aufwendige Bestäuben der Obstbäume per Hand sichert die Ernte. Die intelligente Tao arbeitet hart, um ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Ihr Mann hat sich mit dem Dasein abgefunden und gibt sich schon mit ein paar glücklichen Momenten zufrieden. Doch die sind der Familie nicht vergönnt. Bei einem heimlichen Familienpicknick verschwindet der kleine Wei-Wen spurlos. Tao begibt sich auf die Suche nach ihm und einer Erklärung für sein mysteriöses Verschwinden. Die Suche führt sie durch ihr eigenes ausgestorbene Land. Sie kämpft sich durch, denn sie weiß: das Leben ihres Kindes steht auf dem Spiel – und mehr als das. Was hat der Unfall des Kindes mit dem Artensterben der Pollensammlerinnen zu tun?
Dieses Sterben setzt im zweiten Handlungsstrang ein, nahe unserer Gegenwart: Der Imker George lebt im Ohio des Jahres 2007. Er liebt es seinen Job nach traditionellen Regeln zu machen, nur nicht zu viel modernes Brimborium. Und doch will er seinen Hof vergrößern, um ihn seinem Sohn Tom als florierendes Geschäft und wertvolles Erbe weitergeben zu können. Der aber träumt von einer anderen Zukunft. Insgeheim ist die Beziehung von Vater und Sohn trotz aller Differenzen durch die Arbeit mit den Bienen eng miteinander verwoben. Besonders als Gefahr droht. Denn auch Georges Honigsammlerinnen fliegen aus über Felder, von denen eine geheimnisvolle Seuche ausgeht.
Von all dem ahnt der Protagonist des ältesten Erzählstranges nichts. Der englische Biologe William Savage bemüht sich Mitte des 19. Jahrhunderts verzweifelt um Anerkennung als Forscher und Erfinder. Anfangs finden wir den Familienvater, der alles verloren glaubt, der Depression verfallen wochenlang im Bett lungernd. Dann hat er eine plötzlich die Idee für einen neuartigen Bienenstock. Sein Leben scheint wieder einen Sinn zu bekommen, immerhin kämpft er darum.
Maja Lunde führt uns von einer bedrohten Existenz zur anderen. Viel Grund zur Freude hat in ihrer Geschichte kaum einer. Die Schicksale der drei Helden könnten jedes für sich stehen – und jedes würde einen eigenen Roman füllen. Doch sind sie eben alle verwoben durch das globale Thema, das alle angeht.
Wem würde ich also empfehlen, die Geschichte der Bienen zu lesen? Allen, die es schätzen, in ein Kaleidoskop von verschiedenen Szenerien hineingezogen zu werden. Der jungen Norwegerin gelingt es geschickt, uns in die Lebenssituationen dreier unterschiedlicher Gesellschaften und Kulturen hinein zu holen. So weckt und hält sie das Interesse an dem Faden, der alles verbindet: dem Leben, Pflegen und Sterben der Bienen. Uns lässt dieses Kernthema am Ende etwas ratlos, aber auch aufmerksamer zurück: Ist dieses Sterben aufzuhalten?
Wer das Buch gelesen hat, lauscht dem Summen eines Bienenstocks auf jeden Fall neu und anders. Ist euch schon mal aufgefallen, wie selten das passiert?
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