Aus der Finsternis zum Licht

Als Junge aus Komarów den Holocaust in Polen knapp überlebt und nach der Erneuerung im Kinderheim Hamburg-Blankenese ein erfülltes Leben in Israel

von

Aus dem Vorwort des Autors

Vor einigen Jahren machte ich meine Zeugenaussage zu den Ereignissen, die mein Bruder Yitzchak und ich während des Zweiten Weltkriegs im südöstlichen Polen erlebt haben. Sie wurde vom Beit Hatfuzot (Diaspora-Museum Tel Aviv) sowie von der „Survivors of the Shoah Visual History Foundation“ aufgenommen (Stiftung für visuelle Geschichte, 1994 von Steven Spielberg gegründet). Die darauf folgenden Reaktionen ermutigten mich, meinen Augenzeugenbericht schriftlich festzuhalten.

Davor verschwieg ich eher die Erlebnisse meiner Vergangenheit. Ich wollte die Jahre des Leidens hinter mir lassen. Auch glaubte ich, dass hier in Israel fast jeder meiner Generation seine eigene Geschichte mit sich trägt, und dass die jungen, spritzigen und lebenshungrigen Leute keine Geduld haben, Geschichten aus der Zeit des Holocaust anzuhören.

Doch ist meine Geschichte auch die Geschichte vieler meiner Altersgenossen, besonders solcher Überlebender des Holocausts, die damals ebenfalls Kinder oder Jugendliche waren. Wie ich kamen viele von ihnen nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Erez Israel (ins damalige Palästina). Hier ließen wir uns nieder und fanden unser Glück. Ich dachte, dass man auch davon berichten sollte.

Unser Schicksal war es, gleichzeitig Zeugen und Beteiligte der zwei größsten historischen Ereignisse des jüdischen Volkes seit der Vertreibung aus unserem Land Israel vor rund 2000 Jahren gewesen zu sein. Das eine Ereignis, die Vernichtung des europäischen Judentums, ist traurig und schrecklich in seinem Umfang und hatte fur uns persönlich schlimme Folgen, da wir dabei unsere gesamte Familie auf grausame Art verloren. Das zweite große Ereignis ist erfreulich, und wir hatten das Privileg und die Ehre, daran teilzunehmen: Die Gründung des Staates Israel.

Meine Absicht ist hier nicht, Geschichte zu lehren. Mit meinem Buch will ich jedoch einen weiteren Blick auf die finsterste Zeit meines Volkes ermöglichen. Was wissen meine Enkelkinder über die jüdische Gemeinde in Komarów, meinen Geburtsort? Wie wurde der Schabbat-Abend in unserer Familie gefeiert? Von wem werden meine Enkelkinder über meine Eltern hören, die fleißige, bescheidene und gottesfürchtige Juden waren? Und wer wird ihnen erzählen, wie mein Bruder und ich uns gegenseitig sogar schlugen, als einer von uns sich den Deutschen ausliefern wollte, um so dem schrecklichen Leiden eine Ende zu machen? Manche dieser Fragen beantworte ich in meinem Buch, und auf viele andere habe ich keine Antwort.

Dieses Buch habe ich aus Respekt vor und Sehnsucht nach meinen Eltern geschrieben, die mich dazu erzogen haben, an meine Kräfte zu glauben und die Hoffnung nicht aufzugeben. Meine Erinnerungen habe ich auch aus Respekt vor unseren wunderbaren Lehrern aufgeschrieben, die ich in Israel traf, die meine Welt bereicherten und mir halfen, meine Träume zu verwirklichen. Doch vor allem ist dieses Buch für künftige Generationen gedacht, um ihnen zu zeigen, dass man auch unter hoffnungslosen Bedingungen überleben kann, wenn man standhaft bleibt und nicht zerbricht.
Tel Aviv 2003