Franco Thamér – Mehr als ein Leben

Die etwas andere Künstlerbiographie

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Der geniale Autodidakt Franco Thamér erzählt aus seinem unglaublichen Leben. Vor dreißig Jahren gewährte er einem großartigen Schriftsteller und Drehbuchautor Einblick in seine Erinnerungen. Dieser schrieb die Szenen der Vergangenheit nieder. Bereits zum damaligen Zeitpunkt erhielt Franco Thamér Angebote von Produzenten zur Verfilmung seines Lebens. Der Künstler wartete aber bis heute auf den richtigen Zeitpunkt. Nach über drei Jahrzehnten überzeugte ihn ein Kunstliebhaber und Medienprofi davon, diese Zeilen nun zu bearbeiten. Franco Thamér wollte aber die vor vielen Jahren festgehaltenen Lebensausschnitte nicht einfach fortschreiben. Deshalb entschied er sich für ein Inter­view im Anhang seiner biographischen Zeilen. Mich als seine
Interviewpartnerin begeistern seine Aufzeichnungen. Bereits beim ersten Lesen fesselte und berührte mich seine Niederschrift. Bis heute hat sie mich nicht mehr losgelassen. Franco Thamér ist ein überaus bemerkenswerter Mensch. Er gestaltete aus eigenem Antrieb ein farbenfrohes Leben mit seinem enormen Freiheitsdrang. Es war voller Sehnsucht, Liebe und Freude im menschlichen Miteinander. Franco Thamér ging seinen Weg mit positiver Kraft und dem Glauben an die bedingungslose Liebe. Ihn prägt bis heute eine unglaublich leidenschaftliche Hingabe in seinem Denken und Handeln. Ein Künstler mit grenzenloser Empathie. Ich sitze vor einem Mann, der seine Gefühle nicht versteckt, der unmissver­ständlich zu sich und seiner Meinung steht. Ein Mensch, dem das Leben nichts geschenkt hat, bei dem man aber
ständig das Gefühl hat, beschenkt zu werden. Seine große Lebenserfahrung, unzählige Reisen auf alle Kontinente, wie auch seine Nahtoderlebnisse sind der Maßstab für die farb­liche Ausdruckskraft seiner Gemälde. Vor uns offenbaren sich über siebzig porentief gelebte, anhaltend bewegte Jahre.

In einem biographischen Rückblick mit einem sze­nischen Wechselspiel nimmt er im ersten Teil seine Leser hautnah mit zu einigen Stationen in seinem Leben, das vorwiegend in den 60er Jahren spielt. Der Schauplatz ist Österreich – Kärnten, Wien und Bregenz mit Abstechern nach Zürich sowie nach Deutschland und in die Nieder-lande. Mit der Beschreibung eines Autodiebstahls setzt die Handlung ein: Der 15-jährige Thamér rast waghalsig mit einem Mercedes davon. Traumsequenzen und Erinnerungen, die sich nahtlos in den Erzählablauf einfügen, beleuchten ­Stationen seiner Kindheit und Jugend. In den einzelnen Kapiteln führt ihn sein filmreifes Leben intuitiv immer wieder zu Menschen, die seinen wahren Charakter spüren und seine Potenziale erkennen. Mit seinem festen Glauben an die Liebe schritt er fast durch die ganze Welt. Dabei nahm er sein bewegendes Schicksal bedingungslos an. Er befand sich mehrmals in Lebensgefahr und meisterte auch fast aussichtslose Tiefschläge. Als Kind lernte er bei dem bekanntesten Tierporträtisten Prof. Ludwig Heinrich Jungnickel. Von einem Lebenskünstler entwickelte er sich zu einem ausdrucksstarken Maler ohne Wenn und Aber. Professor Jungnickel, seine Eltern, Maria, Lisa, der General sowie der Gentleman und viele mehr sind die Figuren aus seinem Gestern.

Im zweiten Teil steht er in den ständigen Ausstellungsräumen seiner Werke offen wie nie zuvor Rede und Antwort. Er gibt zu den vielfältigen Facetten seines kreativ angelegten Lebens ganz persönliche Einblicke in sein Denken und Handeln. Hier spürt man das bedingungslos ausgelebte Verlangen nach der letztgültigen „Intensität“ im künstlerisch Möglichen. Nach meinem Verständnis geht es in diesem Buch um viel mehr als „nur“ sein Künstlerleben. Dennoch steht als verbindendes Element über seinem bewegten Leben und dem tiefsinnigen und ungemein offenen Gespräch stets seine großartige Schaffenskraft als ausdrucksstarker Künstler in einem positiv mitreißenden Sinne.

In einer Kunstperformance im öffentlichen Raum brachte er die Menschen zum Lachen, unter einem Pseu­donym seinen Galeristen zum Staunen und im eigenen Künstlercafé den Kult-Entertainer Harald Juhnke an sein ­Klavier. Hier und an unzähligen Plätzen dieser Art disku­tierte er mit bekannten Persönlichkeiten wie Friedensreich Hundertwasser, Helmut Qualtinger und unbekannten, aber nicht weniger interessanten Menschen nächtelang über Gott und die Welt. Den künstlerischen Schliff holte er sich als Assistent eines großartigen Kunstprofessors und in unzähligen Studienaufenthalten sowie Atelierprojekten auf allen Kontinenten. Sehr überzeugend gelingt es dem Ich-Erzähler seine Entwicklung vom rebellischen Jugendlichen zum erfolgreichen und weithin bekannten Maler aufzuzeigen. Thamér liest sich wie ein spannender Krimi, der in rasantem Erzähltempo eine Odyssee durch die Grauzonen und Randgrup­-­pen unserer Gesellschaft vollführt. Kurzum: Eine filmreife Lebensgeschichte mit Unterhaltungswert, aber auch viel Stoff zum Nachdenken.

Heute blickt er mit seiner großen Künstlerpersönlichkeit völlig ausgeglichen zurück auf ein überaus spannendes Leben. Auf mehr als ein Leben. Lesen Sie den Rückblick, indem Sie sich jetzt vorstellen: „Ich sitze im Kino. Film ab!“

Petra Wagner