In welchem Café liest der Kaffeehaussitzer am liebsten? Wir waren neugierig und haben nachgefragt. Natürlich wollten wir auch wissen, wie es dem Blogaward-Gewinner 2017 zwei Wochen nach der Preisverleihung geht: Der Kaffeehaussitzer Uwe Kalkowski beantwortet im Interview Fragen über seine Buchpassion, seine Leseinspiration, seine Meinung zur Literaturkritik und die Stimmung in der Literaturbranche.
Wir sind noch neu in dieser Szene – und mit uns einige andere. Magst du uns verraten, was du im normalen Leben machst und wie du zum Bloggen gekommen bist?
1993 startete meine Ausbildung zum Buchhändler und mir war schnell klar, dass ich nie in einer anderen Branche als der Buchbranche arbeiten möchte. Später habe ich Verlagswirtschaft studiert und arbeite seit 2001 als Marketingmensch in verschiedenen Fachverlagen. Seit 2009 bin ich Marketingleiter des RWS Verlags in Köln. Die berufliche Beschäftigung mit Fachmedien ist sehr spannend, da Themen wie Medienwandel und Digitalisierung hier eine viel elementarere Bedeutung haben. Um aber auch meine Literaturbegeisterung ausleben und teilen zu können, startete ich im Juni 2013 den Blog Kaffeehaussitzer – ohne zu ahnen, was für Dimensionen das Ganze annehmen würde.
Hat sich die Aufregung nach deinem Gewinn des Blogawards gelegt? Reaktionen bekommst du sicher trotzdem noch – erzähl doch mal kurz.
Die ersten Tage nach dem Award waren unglaublich, die Timelines auf Twitter und Facebook explodierten, die Zugriffszahlen auf den Blog gingen durch die Decke. Ich lief im Adrenalinrausch durch die Stadt und bin gar nicht mehr zur Ruhe gekommen. All die Glückwünsche und der Zuspruch haben mich wahnsinnig gefreut; es ist einfach ein tolles Gefühl, so eine Menge an positivem Feedback für etwas zu bekommen, in das man so viel von seinem Herzblut hat einfließen lassen.
Kannst du uns verraten, warum die Wahl auf dich gefallen ist?
Nein. Es gibt viele Buchblogs, die ich für das Niveau der Texte und die Auswahl an besprochenen Büchern sehr bewundere. Ich halte es auch für nicht einfach, den Titel „Bester Buchblog“ anzunehmen, da es in der vollkommen heterogenen Welt der Literaturblogs so viel Unterschiedliches gibt, das zu vergleichen eigentlich unmöglich ist. Von daher sehe ich mich – so habe ich es auch auf Kaffeehaussitzer geschrieben – vor allem als stellvertretender Gewinner für die gesamte Buchblog-Szene, die in ihrer Verschiedenheit unsere Literaturwelt so viel bunter macht.
Was ist das Besondere deines Blogs? Wer liest ihn? Bekommst du viel Resonanz (auch von Nicht-Bloggern)?
Ich treffe mit meinen Buchvorstellungen einen sehr persönlichen Ton, der nicht ins zu Private abrutscht. Jemand meinte einmal zu mir, dass ich über die Bücher regelrecht erzählen würde, und zwar so, dass man das Gefühl bekäme, man müsse das Buch jetzt unbedingt weiterlesen. Das hat mich natürlich riesig gefreut und das kommt wahrscheinlich vom Buchhändler-Gen in mir. Ich stehe viel im Austausch mit anderen Literaturbloggern, erhalte aber regelmäßig über Twitter, Facebook und auch per Mail Reaktionen von Lesern, die keinen Blog betreiben. Einmal hat mir jemand geschrieben, dass er sich bei mir bedanken wolle, da durch die Anregungen auf Kaffeehaussitzer bei ihm die Freude am Lesen zurückgekehrt sei. Das ist eines der schönsten Komplimente, das ich jemals erhalten habe.
Apropos Award: Was hälst du von Lese-Rankings, Rezensionen zählen und Blogvergleichen im Alltag?
Nichts. Wozu soll das gut sein?
Liest du (noch) das Feuilleton?
Gelegentlich, aber ehrlich gesagt war ich noch nie ein großer Feuilletonleser.
Verstehst du dich als Literaturkritiker?
Nein, absolut nicht. Ohne einen entsprechenden akademischen Background kann man ein Buch nicht literaturwissenschaftlich oder literaturvergleichend einordnen. Was ich jedoch kann, ist aufzuschreiben, warum mir ein Buch gefallen hat, aber eben auf meine persönliche Art und Weise. Ich sehe mich daher eher als Buchbegeisterer oder Buchempfehler, nicht als Kritiker.
Wir hatten auf der Buchmesse ein lit&sit zum Thema Literaturkritik heute – und im Netz. Wie schätzt du die Online-Buchbesprechungs-Entwicklung ein?
Seit einiger Zeit gibt es ja bekanntlich die leidige Buchblogs-vs.-Feuilleton-Debatte. In meinen Augen sind Blogs und Feuilleton zwei verschiedene Wege über Bücher und Literatur zu schreiben, die inhaltlich nicht viel miteinander zu tun haben und sich deshalb eher ergänzen, als sich gegenseitig die Butter vom Brot zu nehmen. Immerhin ist als eine direkte Folge aus dieser Debatte u.a. das Online-Literaturmagazin tell entstanden, das es auf eine sehr gelungene Weise versteht, das Beste aus beiden Welten miteinander zu vereinen. Ich könnte mir vorstellen, dass es in dieser Richtung noch mehr Angebote geben wird, was mich sehr freuen würde.
Wie entdeckst du die Bücher, die du selbst liest und besprichst? Studierst du die Verlagsvorschauen? Stöberst du auf anderen Blogs?
Verlagsvorschauen überfliege ich nur, um informiert zu bleiben. Als Blogger sehe ich es nicht als meine Aufgabe, den unzähligen Neuerscheinungen hinterher zu schreiben. Das würde zum einen kapazitätsmäßig gar nicht gehen und zum anderen ist es auch langweilig, wenn überall gerade die gleichen neuen Bücher vorgestellt werden. Viele Lesetipps finde ich auf anderen Blogs, aber die allermeisten entdecke ich bei meinen zahlreichen Besuchen in den Buchhandlungen meines Vertrauens.
Wie viel Zeit verbringst du in Cafés?
Viel zu wenig, daher ist beim Blognamen Kaffeehaussitzer auch eher der Wunsch der Vater des Gedankens. Es gab allerdings eine Zeit, in der ich ganze Nachmittage in Cafés saß und gelesen habe. Aber das ist schon etwas her.
Welches ist dein Lieblingscafé?
Das Café Maitre in Leipzig. Leider ist es 600 Kilometer von meinem Wohnort entfernt. In Köln bin ich am liebsten im Salon Schmitz oder im Café Sehnsucht.
Welches ist deine Neuentdeckung der Buchmesse 2017?
Ein Buch, das mich gerade sehr begeistert hat, ist „Karpathia“ von Mathias Menegoz, erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt.
Von wem liest du alles, was du bekommen kannst?
Sven Regener, Philippe Djian, Robert Harris, Daniel Woodrell, Cormac McCarthy, Arturo Pérez-Reverte, Jo Nesbø, Anne von Canal, Volker Kutscher – das sind jetzt die Namen, die mir spontan einfallen.
Welches ist dein absolutes Lieblingsbuch?
Ein einziges? Das gibt es nicht. Aber es gibt Bücher, die mein Leben nicht nur als Leser nachhaltig geprägt haben. Es sind zum Beispiel „Betty Blue“ von Philippe Djian, „Alle Menschen sind sterblich“ von Simone de Beauvoir, „Die Straße“ von Cormac McCarthy, „An den Rändern der Welt“ von Olivier Adam, „Erklärt Pereira“ von Antonio Tabucchi. Aber auch Klassiker wie Tolstois „Krieg und Frieden“ oder Tolkiens „Der Herr der Ringe“. Alles absolute Lieblingsbücher.
Welches ist der Flop des Jahres?
Ehrlich gesagt habe ich schon länger keine Leseenttäuschung erlebt, zumindest nicht in dem Maße, dass ich die Lektüre als Flop bezeichnen würde. Liegt wohl auch daran, dass ich inzwischen Bücher abbreche, wenn nach den ersten Kapiteln der Funke nicht übergesprungen ist.
Wo fühlst du dich beim Bücherkauf am wohlsten?
In einer Buchhandlung natürlich. Wo sonst sollte ich als Buchmensch Bücher kaufen? Ganz bestimmt nicht bei einem steuervermeidenden, infrastrukturzerstörenden Gemischtwarenhändler aus Seattle. Deshalb endet auch jeder meiner Blogbeiträge mit dem Hashtag #SupportYourLocalBookstore
Was sagst du zur Stimmung der Literaturbranche? Glaubst du, dass der Untergang des Buches bevorsteht? oder Wie kann man zum Weiter-Lesen animieren?
Gejammert wird eigentlich immer, noch vor zehn Jahren wurde das komplette Verschwinden des gedruckten Buches vorausgesagt. Gleichzeitig darf man aber auch nicht übersehen, dass wir uns mitten in einem vollkommenen Umbruch der Medienwelt befinden, dessen Ende momentan noch gar nicht abzusehen ist. Viele Entwicklungen können wir uns heute überhaupt nicht vorstellen. Im Blog Wie werden wir lesen hatte ich letztes Jahr eine Prognose über die Buchbranche in zehn Jahren gewagt.
Die Frankfurter Messe ist vorbei. Bist du erleichtert? Oder kannst du die nächste kaum erwarten? Treffen wir dich in Leipzig?
Die Frankfurter Buchmesse ist für mich in erster Linie ein beruflicher Termin, ich führe dort vor allem Gespräche mit Geschäftspartnern des Verlags, für den ich tätig bin, mit Dienstleistern oder mit Menschen aus der Branchenpresse. Wenn ein Blogger-Termin dazwischen passt, versuche ich natürlich, diesen ebenfalls wahrzunehmen. Was dazu führt, dass ich manchmal das Gefühl habe, doppelt in Frankfurt anwesend zu sein; die Verleihung des Buchblog-Awards hat dies begreiflicherweise noch einmal deutlich verstärkt.
Leipzig wiederum ist rein privat, hier nehme ich mir immer ein paar Tage Urlaub, um die Stimmung auf der Messe und in der Stadt selbst voll und ganz auszukosten. Seit meinem Studium in Leipzig habe ich mein Herz an diese wunderbare Stadt verloren und genieße die paar Tage im März jedes Mal sehr.
…oder auf litnity?
litnity klingt nach einem spannenden Angebot mit einer Menge Potential; ich werde mir das auf jeden Fall näher anschauen.