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Birgit Kidd veröffentlichte ein Update in der Gruppe lit:chat – Wir lesen Anne Reinecke “Leinsee“ vor 6 Jahren, 7 Monaten
Hallo Ihr Lieben, wir „hängen“ jetzt quasi zwischen zwei Abschnitten. Beide geben aber bestimmt viel Anlass zum Diskutieren und Eindrücke sammeln und fragen. Also hier bitte bis zum einschließlich Kapitel „Unsichtbar und rot“ (S. 202) kommentieren.
Karl enttäuscht mich mit seinem Verhalten. Ich verstehe nicht, warum er Tanja nicht verteidigt, warum er sich nicht gegen Mara stellt. Ich verstehe auch seine Liebe zu ihr nicht. Er vermisst sie scheinbar nicht, aber wenn sie dann mit einem so boshaften Verhalten aufkreuzt, hält er sich so heraus und lässt sie gewähren. Liebt er sie denn tatsächlich und hat Angst, sie zu verlieren? Warum tut er das? Ist er feige? Das passt so gar nicht zu dem Bild, das ich von ihm hatte.
Ich glaube, Mara war – bis zu dem Zeitpunkt als Karl nach Leinsee fuhr – seine Freundin, seine Managerin. Als er sich dann an Leinsee gewöhnte, fing für ihn ein neuer Abschnitt an. Mit Alexandra kam eine neue Leichtigkeit. Sie stellte keine Ansprüche an ihn. Ich glaube, daß er Mara nicht liebt. Ja, er ist zu feige, Mara das zu sagen.
Warum stellt er sich nicht gegen Mara? Ich glaube, sie ist für ihn zu übermächtig.
Warum verteidigt er Tanja nicht? Ich glaube, er kann es nicht.
Mara enttäuscht mich sehr. Das Verhalten, das sie an den Tag legt, ist oberlehrerhaft. Karl ist nicht ihr Eigentum, nicht ihr Kind.
Mara scheint auch Kinder nicht zu verstehen. Warum kann sie Tanja in der Teerunde nicht akzeptieren?
Mara erscheint auch nur mit Karl komplett zu sein. Dabei ist sie keine Künstlerin.
Auch wenn man sich ein bisschen geschickter Verhalten könnte als Mara, muss man auch ein bisschen bedenken, dass sie bislang Karls Karriere gemanaget hat und ihr Angelegenheiten vielleicht hinten angestellt hat. Das war sicherlich ihre eigenen Entscheidung sich so zu verhalten, aber plötzlich bricht ihr das alles weg. Sie organisiert seine Ausstellung, er kommt durch den Ruf seiner Eltern groß raus und dann kommt er nicht einmal nach Berlin um mit den Leuten zu sprechen, die zu seiner Ausstellung kommen. Das verärgert sie und ich kann es auch, aus ihrer Sicht, verstehen.
So sehe ich das auch. Obwohl sie mir nicht gerade sympathisch ist.
Ich glaube, dass ihn die Situation übervordert hat. Gerade saß er noch auf seiber Wolke und nun platzen Mara und Buddy Holly rein und zerstören alles.
Vor einiger Zeit habe ich eine Dokumentation über Georg Baselitz gesehen, in der seine Frau viel zu sehen war. Und später noch eine über den Kunstfälscher Beltracchi. Beide Paare schienen auffällig viel Zeit miteinander zu verbringen. Ohne die Nähe und Meinung ihrer Frauen scheinen die beiden Männer nicht arbeiten und leben zu können.
Das Stiegenhauer-Paar lebt mit seiner Kunst in einem Vakuum, in das nicht einmal ihr Sohn hineingehört. Ihre extreme symbiotische Beziehung basiert nicht auf einem Künstler-Musen-Verhältnis sondern auf einer Seelenverwandtschaft und einer gleichrangigen Zusammenarbeit. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass künstlerisches Schaffen in einer so intensiven Beziehung vielleicht ideal ist. Der Künstler, der nicht allein ist, der verstanden wird, der immer Ansprache und Rückhalt hat, kann produktiver und glücklicher sein. Auch wenn er dabei in einer Blase lebt.
Dieses von einander abhängige Verhalten tritt jetzt auch bei Karl und seiner Mutter auf. Er verbringt einen Nachmittag in der Woche mit seiner Mutter im Atelier – und es bereitet ihr Freude. Sie arbeiten zusammen an einem Werk, wobei Karl die Zustimmung von seiner Mutter sucht. Aber im Gegensatz zu früher, als die Stiegenhauers Teile in ihr Werk einfließen ließen, wird jetzt Vakuum eingeschlossen.
Warum sucht Karl immer wieder die Nähe zu Tanja? Wünscht er sich heimlich ein Kind? Oder kann er auf der Kind-Ebene mehr Anerkennung finden? Ihre Begegnungen sind oft wortlos, aber trotzdem bringt es Karl unheimlich viel.
Zuerst dachte ich ja, er bildet sich das Mädchen nur ein. Doch jetzt denke ich wirklich, dass Tanja eie Kindseite in ihm berührt, die er nie haben durfte. Vieeleicht wünschte er sich in diesem Alter ja einen Kameraden?
Die Teeparty im Garten war wundervoll. Karl hat Kuchen gebacken. Tanja bringt Geschenke mit. Und alles läuft wunderbar. Ich wurde an „Alice im Wunderland“ und die Teepartys erinnert.
Ja, es hätte alles so schon sein können, warum nimmt er sie nicht in Schutz, warum versagt er selbst? Tanja verwirrt mich schon sehr und Ich frage mich, ob sie nicht ein Alter Ego von Karl ist..so wie er sich seine Kindheit gewünscht hätte, beachtet und umsorgt. Tanja ist sogar Teil der Kunstschaffung von Ada und Karl/August….“als wären sie schon seit Jahren ein Team“ und Karl selbst gleichzeitig die die treibende Kraft.
Mara versteht das Kind nicht. Es stört in der Erwachsenenrunde. Obwohl, die lustige Teeparty war eigentlich wie ein Kindergeburtstag. Alle waren glücklich.
Ja, Mara war nicht glücklich, weil Karl in Leinsee war und sie in Berlin. Sie hatte keine Lust auf Party. Sie will Tacheles reden.
Die zerstörte Teeparty läutet, für mich, irgendwie einen Umbruch ein. Tanja ist verschwunden (die sich sicherlich verraten vorkommt), seine Mutter stirbt, er trennt sich von Mara,…
Aber jedes Ende ist ja auch irgendwie ein Neuanfang. Also bleiben wir gespannt.