101 Käfer in der Schachtel. Ihr Verschwinden in Bildern

Eine fragmentarische Liebesgeschichte

von

Auf einen knappen Zusammenfassungssatz gebracht, umkreisen die manchmal langen, an anderer Stelle viel kürzeren Texte eine in all ihren Facetten politische Liebesbeziehung – in Gegenwartsreflexionen wie aus der Retrospektive, d.h. nach beendeter Liaison. Implizit zeigen sie eine Art Lebensentwicklungsabriss der Ich-Erzählerin. Rollenprosa, könnte man sagen, wenn es nicht genau darum ginge, diese Rollen aufzuheben, zum Verschwinden zu bringen. Es handelt sich um eine in der linken Szene angesiedelte Geschichte zwischen einer ehemals politisch engagierten, berufstätigen Frau Anfang 30 (nach abgeschlossenem Studium, mit einem mittlerweile sechsjährigen Kind) und einem um siebzehn Jahre älteren Journalisten, der im pakistanisch besetzten Teil Kaschmirs zwar geboren wurde und dort seine frühe Kindheit verbrachte, allerdings – schon als Schulkind nach London gezogen – hauptsächlich eine von westlichen Standards geprägte Sozialisation erfuhr. Noch immer mit dem wieder nach Kaschmir zurückgekehrten Exfreund in freundschaftlichem, unregelmäßigem telefonischen wie Mail-Kontakt, schreibt sich ein mitteleuropäisches weibliches namenloses Ich an ihre oftmals wirren Erinnerungsspuren heran, verleiht ihnen eine Bedeutung, die nicht auf den Punkt zurechtgestutzt, vielmehr in zahlreiche Bausteine zersplittert wird. Es inszeniert Ausschnitte, Strukturelemente seiner damaligen Beziehung, repräsentative Situationen, verliert im Laufe des Rekonstruierens auch eine gewisse emotionale Distanz. Die in 101 Einzelfragmente gegliederte Erzählung enthält oder streift nicht immer nur beiläufig philosophische Motive – etwa das Problem der Abgeschiedenheit und Ungewissheit des Ich, Textualitäten der Anderheit, des Fremden, des Begehrens, der Zeitlichkeit etc. -, die in einer gewissen Weise als roter Faden dienen, wobei der Verfasserin wichtig war, nicht in einen abgehobenen oder wissenschaftlichen Duktus zu verfallen.