Seit über dreissig Jahren, und ununterbrochen seit 1987, ist die Reitschule der Schand- fleck von Bern. Geliebter, hartnäckiger Schandfleck von Bern – lässt sich weder schönfärben noch vertreiben. Im Gegenteil, als grosses und grossartiges Kultur- und Politzentrum strahlt die Reitschule weitüber die Stadtgrenzen heraus. Viele Menschen wachsen in der Reitschule auf, manche werden in ihr älter.
Die Reitschule ist aber auch ein Freiraum, der den kritischen Blick auf Selbstverständliches, Normales und Unveränderliches zulässt. Sie ist der Ort, in dem verdrängte Fragen der patriarchal-kapitalistischen Ordnung aufs Tapet gebracht werden. Sie ist Widerstand und Revolte und Kunst und Kultur.
In einer Zeit, in der die Rufe nach Grenzen, Regulierung, Kontrolle, Bestrafung, Ordnung und System nervöser und schriller werden, in der man nostalgisch alte, verlogene Modelle heraufbeschwört und aus der Geschichte nichts lernen will, ist bereits die Existenz der Reitschule ein politisches Statement. Ein dreissigjähriges starkes Statement– eine Unruhe im Abendrot.
Was die Reitschule alles noch ist oder war oder sein könnte, vereinigt sich in unserem «Leporello» zu einem reich illustrierten Bilderbogen. Während einem Jahr wanderten die Bilder von einer Gestalterin zum andern Künstler oder Kollektiv. Alle hatten einen Moment Zeit, das Bild weiterzuführen. Wie in der Geschichteübernahmen die Nachfolger*innen von den Ahn*innen – bis ins heute.
Wir sind glücklich, dass dieser lange Prozess reibungslos abgelaufen ist, dass die Alten wie die Jungen schnell und ohne zu zweifeln ihre Mitarbeit – einmal mehr unbezahlt – zugesagt haben. Wir sind stolz, dieses Projekt kollektiv realisiert zu haben und sehen darin die Gewissheit: Die Reitschule war und ist eine gute Schule, denn sie vereinigt Menschen, die sich vielleicht sonst nie begegnet wären. Darum: fight for your reit.
30 Jahre Reitschule Bern
Anhang: Der Verlauf der Revolution 1917