52 Geschichten aus Kreuznachs Geschichte

Band 4

von

Totgesagte leben länger

Was vom Leben eines Menschen in Erinnerung bleibt, hängt nicht zuletzt vom Zeitpunkt seines Todes ab. Am 9. Februar 1924 -meldete der ‚Oeffentliche‘: „Emil Bohr, der frühere kommunistische Stadtverordnete, der 1921 ausgewiesen wurde, ist in Frankfurt, wo er der soz. Partei [SPD] beigetreten war, gestorben.“ Im Alter von 23 Jahren war der gebürtige Kirner im November 1919 für die USPD in Kreuznachs Kommunalparlament eingezogen. Radikal seine Ansichten – er forderte nichts weniger als „die Diktatur des werktätigen Volkes“ –, polemisch seine Sprache; den Zentrumsmann und Zeitungsverleger Dr. Arnold Cappallo etwa schmähte er als „Preßhure, Zeitungskloake“! Schließlich kehrte Bohr der USPD den Rücken, bekannte sich zur Dritten Internationale und wurde – wir schreiben den Oktober 1920 – Mitbegründer und erster Vorsitz-ender der örtlichen KPD. Weil seine Agitation auch vor den Toren der französischen Kasernen nicht haltmachte, duldete die Siegermacht den gelernten Buchhalter nicht länger im besetzten Gebiet.
Am 11. Februar 1924 teilte der ‚Oeffentliche‘ mit: „Die Nachricht vom Tode des ehemaligen Stadtverordneten Emil Bohr stellt sich als ein Irrtum heraus. Bohr lebt frisch und gesund in Frankfurt und denkt gar nicht ans Sterben. Beinahe hätte er seinen eigenen -Nachruf lesen müssen – lediglich ein technischer Zufall bewahrte ihn vor dem etwas eigenartigen Geschick.“
Mitte 1925 war der Exilant zurück. Sieben Jahre später machte Bohr noch einmal von sich reden: Er trat der NSDAP bei und wurde gar ,Kreisleiter‘ – wenn auch nur in der NS-,Betriebs-zellen–Organisation‘! Diesen Posten legte er bereits im August 1933 -nieder. Ratsherr aber blieb er und kämpfte für eine stadtüber-greifende Busverbindung, die daraufhin mit dem inoffiziellen -Namen Bohrlinie geschmückt wurde. Und sonst? „Viel Freude“, erfährt man in einer heimatkundlichen Veröffentlichung von 1981, „löste Emil Bohr mit seinen lustigen Mundartgedichten aus, die auch nach seinem Tod (1966) noch gern gehört werden.“