Abgefahrene Geschichte von Professoren, Pissern und Pianos

1 Die Fliege im Bernstein

von

Albert Olmers ist ein Einzelgänger, obwohl er der Partei ein paar Jahre Beiträge entrichtet hat. Als seine Ehe mit Tamara in die Brüche geht, ist es sowieso vorbei damit. Kurz darauf ist sie auch schon tot. Auf dem Sozius ihres letzten Liebhabers kauernd, gegen einen Brückenpfeiler geknallt, oder in einer Obstwiese gegen einen Birnbaum gedonnert. Ihr Lieblingsonkel, der sie für den Missbrauch sicherheitshalber bezahlte, kümmert sich um die Bestattung.
Immerhin hat die Partei dafür gesorgt, dass Albert ein paar Mal in die DDR reisen darf. Etwa mit Bertram, dem Parteisekretär, zur Wartburg, nach Buchenwald und Weimar. Und als letztes Abenteuer mit Tamara zur Belohnung für treue Dienste auf die Insel Hiddensee. Hier streift er mit dem Dichter Ulrich, der sich bei den Grenztruppen Verdienste erworben hat, über den Dornbusch, das hochgelegene Vogelschutzgebiet, von wo aus bei guter Sicht die Kreidefelsen der dänischen Insel Møn zu sehen sind. Als ehemaliger Navigator der BRD-Marine kennt Albert diese Ecke der Baltic Sea ganz gut, und er zeichnet dem sehnsüchtig durchs Glas starrenden Ulrich eine Skizze.
Dem Aquarell der Künstlerin Marion, Gefährtin des Dichters Ulrich, liegt diese Skizze der Mittleren Ostsee zugrunde, übermalt zwar, aber mit einer Lupe gerade noch erkennbar. Gut sichtbar darauf ein Gewässer, im Mittelgrund ein Boot, darin ein Mensch. Leicht variiert, zur Serie erweitert, begeistert sie damit ihren Galeristen, bis ihm von der Stasi die Augen geöffnet werden. Mit den ihr daraus entstehenden Kalamitäten eröffnet dann der 2. Band (Fernes Wolfsgeheul).
Dreißig Jahre später besucht Albert in einer süddeutschen Provinzhauptstadt eine literarische Matinee. Neben anderen trägt ein Lyriker namens Aschbeere vor. Albert erkennt in dem designierten Preisträger und künftigen Inhaber einer Poetikdozentur den Volksarmisten Ulrich.