Abhandlung über die Liebe

Aus den Mekkanischen Eröffnungen (Futuhat al-Makkiyah)

von

„Du hast also scharfsichtig zu sein, damit du die Reichweite der Liebe und den Wert der Person, die dich liebt, erkennst und auch damit du eilst, dich mit ihr zu vereinen, indem du dich über Seine Liebe mit Eigenschaften Gottes tränkst. So legt Er es dir nahe. Ist Er es doch, Der dich ursprünglich mit dieser Liebe, der nie etwas gleichkommen wird, erschaffen hat. Deshalb ist der Liebesakt, wenn er auch im Grunde genommen mit Ihm jedes Mal neu vollzogen wird, lediglich die Folge jener Liebe, mit der Er dich schon seit Anbeginn liebt.“
Im spirituellen Schrifttum des Islams stellt die Abhandlung über die Liebe einen Höhepunkt dar; sie ist im Ganzen wie auch im Detail ein vollendetes Meisterwerk. Alles, was vor Muhyiddin Ibn Arabi (1165–1240) zu diesem, insbesondere für das esoterische Verständnis des Korans so zentralen Thema gesagt wurde, fasst der ‚Größte Meister‘ hier zusammen, geht aber noch weit darüber hinaus. Kein spiritueller Lehrer hat seither derart wirklichkeitsgetreue, ursprüngliche, tiefgründige und vollständige Sichtweisen auf das Wesen und die Essenz der Liebe dargestellt. In dem hier zum ersten Mal auf Deutsch vorliegenden Kapitel 178 seiner umfangreichen Mekkanischen Eröffnungen beleuchtet der ‚Lehrer der Sufis‘ alle Formen der Liebe, die natürliche oder physische, die spirituelle und die Göttliche. Die falsche, im Westen – heutzutage wie auch in der Vergangenheit – verbreitete Meinung, der Islam sei lediglich eine Religion der Strenge und formaler Vorschriften, in der Göttliche Transzendenz alles derart aufsauge, dass ein menschliches Wesen nicht einmal mehr an der Liebe teilhaben könne, wird hier mit großer Einblickskraft in die tiefsten Zusammenhänge und in poetischer Sprache richtiggestellt.