Ach, Europa

Skizzen zur Flüchtlingsfrage

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Ich will beitragen, von einer defensiven zu einer offenen Betrachtung der Flüchtlingsfrage zu kommen. Die Flüchtlinge könnten sich als Glücksfall für ein Europa erweisen, das sich den Folgen der Globalisierung stellt.
Allein an der Wortwahl wie versucht wird, das Phänomen der Kolonnen von Geflüchteten zu beschreiben (Flut, An-Sturm, Völkerwanderung, Invasion), kann Verständnis verbaut oder gewonnen werden. Je nach Einschätzung und Angst-Einfärbung wird ein Willkommen eröffnet oder als Illusion dargestellt.
Das Wort Grenze wird nicht umsonst zum Schlüsselbegriff, über den sich nachzudenken lohnt. Die Grenzbeschwörer müssen sich fragen lassen, warum wir das nicht schaffen sollten, was als Kraftprobe ansteht. Weshalb kommen durch Schutzsuchende plötzlich Europas (Grenz-) Konzepte in die Krise? (Nation, Wohlstand, Sicherheit, Ordnung) Wieso spaltet die Deutung von Frau Merkels Kanzler-Entscheidung zur Grenzöffnung nach Süden nicht nur die Republik? Weshalb heizen weniger Steuerflüchtlinge als Asylbewerber die Debatten an?
In diesem brisanten, hochaktuellen Buch zur Flüchtlingsfrage stehen nicht die begrenzten, binnen-europäischen Reaktionen im Fokus. Mir kam es vor als ginge ein historischer Vorhang auf, der uns in die Gesichter der Globalisierung blicken lässt. Die Flüchtlingskrise ist ein Bündel von Flüchtlingsdramen, eine Kette aus Tragödien mit unbestimmt vielen Akten in verschiedensten Szenen und Rollen.
Europa steht in Frage. Was erzählt der Mythos? Was ist los mit Europa? Es wird mit seinen Stärken, Schwächen, Mythen, dunklen Geheimnissen konfrontiert (Kolonialismus, Rassismus). Europa kommt nicht darum herum, über seine Wurzeln nachzusinnen und seine Flügel (Attraktivität) zu nutzen. Allerdings verlangt die in den tausendfältigen Gesichtern der Geflüchteten zurückgekommene Globalisierung eine radikalere Umverteilung der Ressourcen und Reichtümer und eine weit visionärere Entwicklungs-Partnerschaft als derzeit praktiziert wird. Mit Klugheit, Besonnenheit, Maß und Weitsicht schaffen wir mehr als die politisch Verängstigten uns ein- bzw. ausreden wollen.