ZUM BUCH:
Das Buch enthält die Erzählungen „Alles oder Nichts“, „Operation Hirschsprung“ und „Eine Reise nach Prag“.
LESEPROBE (aus „Eine Reise nach Prag“):
.Das Bahnhofsrestaurant war hell erleuchtet, als ich den großen kahlen Saal in Begleitung von Süßmuth und Kaplitzkowitz betrat. Eigentlich sollten sich hier die Männer versammeln, um diskutierend den Abend zu verbringen, heute war das wohl anders. Die meisten der quadratischen Tisch, die über Eck, von jeweils vier schäbigen Stühlen eingerahmt, den Raum füllten, waren leer. Auf ihnen lagen Decken, die auf die Ferne akkurat und sauber wirkten.
Es dauerte lange Zeit, bis sich ein Ober zeigte. Er schien nicht sehr begeistert zu sein, neue Gäste zu sehen. Eine Karte gab es nicht, stattdessen Knödel mit Kraut. Das Kraut war mit Kümmel, die Knödel mit Beton zubereitet. Beides liebe ich sehr und kann ich nur weiterempfehlen. Meine Versuche, mit dem Messer eine Vertiefung in die grauen Bälle zu kratzen, blieben ohne Erfolg. Die Trennung von Kraut und Kümmel funktionierte war aber mühsam und geeignet, zur Ganztagsbeschäftigung auszuarten. Als ich daraufhin beschlossen hatte, mich dem Brot zuzuwenden, das mir in seiner flüssigen Form bislang an Prag am besten gefiel, schlürfte der Mann mit der uringelben Schürze zufällig mal wieder vorbei und stellte bei der Gelegenheit unaufgefordert drei klebrige, trübe Gläser ab.
„Ein schönes Pivo!“ frohlockte ich und die Lehrer waren überrascht angesichts meiner schnellen sprachlichen Fortschritte. Ich nahm einen krätigen Hieb und labte mich an dem Gestensaft. Das tat gut. Die Sortiererei hatte ich inzwischen aufgegeben. Der Kellner hätte abräumen können, doch der ließ seine Gäste offensichtlich gern in Ruhe genießen, denn, wie ich nun bemerkte, stapelten sich auch auf den anderen Tischen Teller und Tassen. Der trockene Zustand der üppigen Speisereste ließ zudem vermuten, daß diese noch vom Mittag stammten. Nun, vielleicht erwartete er die Gäste morgen erneut. Mir war es gleichgültig und ich hatte gerade einen weiteren Schluck Pivo getrunken, als ich etwas entdeckte, das in dem weißen Schaum schwamm. Es war eine fette Wespe, die den Bauch nach oben in der Dünung dümpelte. Offenbar hatte sie sich bislang in dem Schaumteppich verborgen. Eifrige Rettungsversuche mit der Messerspitze. Mehrmals hatte ich das Tierchen geangelt und fast an den Rand des Gefäßes hochgezogen, als es erneut in die Fluten stürzte. Erst unter Zuhilfenahme der seltsamen Gabel gelang mir das schwierige Manöver. Freudig kippte ich sie neben das Glas auf die Tischdecke und rätselte, wie wohl eine tote Wespe in mein Bierglas gekommen war, als sich das Insekt langsam und schwerfällig zu bewegen begann. Klarer Fall von Trunkenheit nach Alkohol abusus, konstatierte ich, noch amüsiert, als sie erneut auf die Seite kippte und diesmal endgültig liegen blieb. Mit einem Zinken der Gabel drehte ich sie herum, doch die Rückenlage schien ihr mehr zu behagen. Dann dauerte es nur noch wenige Augenblicke, bis ich die Gewißheit erhielt, daß die Wespe nicht erst in diesem Moment zu Tode kam, sondern bereits vor geraumer Zeit verblichen war. Neues Leben regte sich! Aus dem Bauch der toten Wespe krabbelten vier oder fünf winzig kleine Spinnen.
„Ich bestelle Ihnen ein neues Bier“, meinte Süßmuth, aber irgendwie wollte ich nicht mehr.
Mehr Informationen finden Sie auf unserer Internetseite: www.albech.de
- Veröffentlicht am Mittwoch 13. Dezember 1995 von Film.Verlag.Medien
- ISBN: 9783926623225
- 112 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur