… an fein gesponnenen Fäden – Familienverstrickungen

Roman einer Epoche

von

Entsetzliche wie wunderbare Ereignisse verlangen nach Erklärungen, und wenn man diese auf den letzten Grund zurückführen will, versagt der menschliche Verstand. Dies ist der Moment, in dem der Mensch die Hilfe fremder Mächte bemüht, bei dem Atheisten heißen sie Schicksal, bei dem Gläubigen Gott. Was aber, wenn Schicksal und Gott aus einem Munde riefen: „Wir haben damit nichts zu tun!“? Dann wären die Glücklichen und die Leid Tragenden nur zufällig glücklich oder Leid tragend. Der Zufall ist die ironische Zutat aller Ereignisse. Bei Heinrich von Kleist ist es der Zufall, der den Menschen allgewaltig an tausend fein gesponnenen Fäden hält.
23. März 1899 – Frühling in Berlin und drei Jungen kommen auf die Welt: Fritz Teuber, Erich Moser und David Mandel. Ganz unterschiedlich sind die Milieus, in die sie hineingeboren werden. Teubers Vater ist ein kleinbürgerlicher kaisertreuer Amtsschreiber, im Vater Mosers, Arbeiter in einer kleinen Druckerei, schlägt glühendrot ein sozialdemokratisches Herz, und der kleine Mandel liegt unter bestickter Seide in einer vornehmen Stadtwohnung – sein Vater ist ein arrivierter jüdischer Kunsthändler. Drei ganz unterschiedliche Milieus – und doch verknüpfen sich die Geschicke dieser drei Familien über hundert Jahre hinweg auf rätselhafte und geheimnisumwitterte Weise – verhängnisvoll, aber in wenigen Momenten auch glückhaft.
23. März 1999 – auf einer Intensivstation im niedersächsischen Celle ringt ein Mann mit dem Tod, und erst unmittelbar danach begreift die junge Ärztin Nikola, die den Sterbenden in seinen letzten Minuten begleitet, wie sehr dieser Unbekannte mit ihr, mit ihrer Mutter Jana und deren verworrener Lebensgeschichte verwoben ist.
Hundert Jahre zwischen den drei Geburten und einem einsamen Tod. Hundert Jahre deutscher Geschichte: das Begräbnis von Wilhelm Liebknecht, die böse Posse des Hauptmanns von Köpenick, der Auftritt Hitlers im Hofbräuhaus, Bücherverbrennung und die Pogromnacht. Nach dem Krieg Mauerbau, Demonstrationen gegen den Schah von Persien und den Vietnamkrieg. Aufstieg und Ende der RAF. Schicksalhaft sind die drei Familien an diesen Ereignissen beteiligt, als Akteure und Opfer oder als zufällig Beteiligte.
Wie Zeit verläuft, scheint unzuverlässig zu sein, und so nimmt es nicht wunder, dass gerade das berühmteste Gemälde des Surrealismus, Salvatore Dalis ‚Die Beständigkeit der Erinnerung‘, das mit seinen Camembert-Uhren das ‚Verlaufen der Zeit‘ wörtlich nimmt, ein zentrales Motiv des Romans ist.