Die Arbeiten von Anastasia Khoroshilova sind keine Sozialstudie über die bäuerliche Gesellschaft Russlands. Ebenso wenig handelt es sich um eine Reportage über den Untergang der Bauernschaft. Vielmehr begibt sich die Künstlerin auf die Suche nach der russischen Seele im Vergleich mit dem Schriftsteller Turgenjew, einem der ersten literarischen Verfechter der bäuerlichen Emanzipation und Aufhebung der Leibeigenschaft, der in seiner Erzählung Bezhin Lug, die der Serie auch den Namen gibt.
Die Beschreibung der russischen Landschaft und die magische Schilderung der Natur greift Khoroshilova als Leitmotive auf, indem sie den besonderen Bezug der Bauern zur Natur, aber auch deren Lebensumfeld generell als Bildinhalt für den Rezipienten ausschnitthaft sichtbar macht.
Die junge russische Fotografin Anastasia Khoroshilova, aufgewachsen in gut bürgerlichen Kreisen Moskaus, hat ihre Heimat 1993 im Alter von 15 Jahren verlassen, ihr neues Zuhause wurde Deutschland. Für die 70-teilige Fotoserie Bezhin Lug kehrt die Schülerin Jörg Sasses wieder in ihr Land zurück, um während einer viermonatigen Reise in mehr als ein Dutzend Dörfer in vier Regionen in die Gesichter jener Menschen zu blicken, die einen Großteil der Bevölkerung ihrer Heimat ausmachen – die rurale Bevölkerung -und die über Jahrzehnte die in Russland stattfindenden komplexen sozialen, ökonomischen und politischen Prozesse hautnah miterlebten.
In stundenlangen intensiven Gesprächen lassen die Bauern die junge Künstlerin an ihre Lebensgeschichten und Dorfgerüchten teilhaben. Sie erzählen bei einem Tschai von ihren Erinnerungen an den Großen Vaterländischen Krieg, ihrem Leben in Kolchosen und dem Arbeiten in Sovchosen, feste Bestandteile ihres Bewusstseins. Anastasia Khoroshilova rezipiert diese Geschichten mit Spannung, um den richtigen Moment zu erkennen, den Auslöser zu betätigen und den Menschen mit seiner Psyche ohne Beschönigung (kein Weglassen, kein Hinzufügen) zu erfassen.