Wer Andrea Zaumseils großformatige Zeichnungen betrachtet,
tut gut daran, sich eine Anregung des Philosophen Vilém
Flusser zu Eigen zu machen und die Gewöhnung auszuklammern.
Denn die Papierarbeiten, die Andrea Zaumseil mit
Pastellkreide schafft, führen in ein Zwischenreich. Es ist durch
die Übergänge zwischen Zeichnung und Malerei bestimmt, die
Motive changieren zwischen Anschauung und Vorstellung. Die
1957 in Überlingen geborene Künstlerin hat für diese
Publikation ihr Archiv geöffnet, Zuordnungen sind folglich
erlaubt. Fotos und Presseausschnitte zeigen Vulkanausbrüche,
Überschwemmungen, aber auch vom Menschen verursachte
Katastrophen wie der Brand der Deep Water Horizon sowie
Landschaften, die von schier unvorstellbaren Kräften geformt
wurden. Die Texte jedoch, die für sie wichtig sind, befassen
sich mit der Erinnerung. Was Andrea Zaumseil dabei interessiert,
ist ein explosionsartiger Moment extremer Verdichtung.
Kaum zu glauben, dass sie diesen in einer fast beschaulichen
und inständigen Arbeitsweise umsetzt. Andrea Zaumseil zeichnet
mit der flächigen Seite der Kreide, so dass die Nähe zur
Malerei immer schon gegeben ist. Aber auch ihre Skulpturen
sind nicht fern. Die meist großformatigen Zeichnungen, aber
auch die Kleinformate in den Skizzenbüchern entstehen von
Anfang an parallel und gleichwertig zu ihren plastischen
Arbeiten. In unmittelbarer Nähe zur bekannten Welt ist in den
Papierarbeiten von Andrea Zaumseil eine unbewohnbare
Fremde zu entdecken.
Andrea Zaumseil – Unbetretbare Orte
Zeichnungen, Fundstücke, Texte 2013. Hg.: Städt. Kunstmuseum Singen
von Andrea Zaumseil, Christoph Bauer, Ruth Diehl, Volker Adolphs