Wenn sie aus dem Fernster geblickt hätten, hätten sie H kommen sehen können. In seiner Arbeitskluft, quer über die Hauptstraße. Wie meistens zu spät, was ihm, von Ls Seite her, längst den Vorwurf der Wichtigtuerei eingebracht hatte. Jetzt fegt er am Tresen entlang durch den länglichen Gastraum, als hätte er etwas sehr Dringliches auf der Pfanne, nickt Mario ein »Wie immer« zu, setzt sich und fängt gleich an:
Er komme direkt von der Bank. Als er in der nur dämmrig beleuchteten Kreissparkasse an den Automaten getreten sei, habe er ihn entdeckt. Herr Wohlert habe ganz hinten gestanden, ganz verdruckst an der Wand, und die Scheine in sein Portemonnaie gezählt. Er sei so ein scheuer, empfindsamer Mensch.
»Herr Wohlert!«, habe H fast geschrien, »Sie habe ich ja ewig nicht gesehen!«
Herr Wohlert habe vor Jahren das Porzellanhaus Wohlert hier am Ort geführt, in dem auch Nägel und Handwerkszeug erworben werden konnten. In seinem Laden, erinnert sich H, habe Herr Wohlert ganz frei agiert, fast ein wenig übermotiviert sei er zuweilen erschienen. Ein beflissener, nahezu hingebungsvoller Verkäufer, ein beredter Berater.
Herr Wohlert habe seinen Laden vor ein paar Jahren aufgegeben, und seitdem habe H, so habe es ihm scheinen wollen, Herrn Wohlert nicht mehr gesehen. (…)
- Veröffentlicht am Mittwoch 28. Februar 2018 von TEXTEM VERLAG
- ISBN: 9783864851919
- 108 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur