Aus dem Maghreb

Gedichte

von

Als Ivo Ledergerber seine Koffer für den Lyrikkongress in Tunesien gepackt hat, erreicht ihn die knappe Nachricht, der Kongress finde nicht statt. Kurzentschlossen reist er dennoch nach Tunis und bezieht Quartier im maroden kolonialen Prunkhotel seines Dichterfreundes Abdelkrim. Hier trifft die Nachricht ein, der Kongress finde nun doch statt: in der Küstenstadt Annaba im Nordosten Algeriens. Zusammen mit Abdelkrim und weiteren arabischen Dichtern begibt sich der Schweizer Autor auf eine abenteuerliche Taxifahrt in die Nacht.
Ivo Ledergerber hat die Eindrücke dieser Reise auf seine Art festgehalten: in klar formulierten, reich ausgestatteten Gedichten, die seine Faszination am maghrebinischen Alltagsleben mit seinem kontrastreichen Inventar, seiner lautstarken Melancholie und seinen – für den Europäer – undurchschaubaren Vorgängen und untergründigen Verknüpfungen widerspiegeln.
Die Gedichte Aus dem Maghreb liegen in dieser Ausgabe zweisprachig vor, in dem konkreten, doch assoziativ aufgeladenen Deutsch Ivo Ledergerbers, und in ihrem Vehikel im Maghreb, dem Französischen.

‚Gegenüber
unter der riesigen Sykomore
mit wulstigen Stammbäuchen
vier Frauen auf der Steinbank
aufgereiht wie bei Gauguin
es fehlen nur
die heiteren Farben‘

Pressestimmen:

‚Ein Gedicht findet statt wie eine Träne stattfindet oder ein Kuss – aus der Architektur des Moments. Und der Dichter ist nicht der Architekt, sondern der Leser eines verborgenen Bauplans, der ihm aufscheint wie von Geisterhand geschrieben. Er ist auch der Maurer, der mit Lot, Stein und Mörtel errichtet, was es zu sagen gibt über das Wesen der Sache, die vor ihm liegt. Das zu schreibende, das ins Leben drängende Gedicht hat sein Geheimnis nicht in der Form allein, sondern vor allem auch in den eigenen Räumen, in dem die Worte zu Sätzen werden, zu Versen, die den herkömmlichen Sinn und die Wahrheit opfern einer neuen, zuvor nicht erkennbaren Zwiesprache der Dinge.
(. ) Ledergerber malt nicht drauflos, Augenblicke werden sehr genau ausgebreitet. Er nimmt wahr, was die Wahrhaftigkeit des Dichters fordert: Zusammenhänge, die im Hintergrund verborgen sind und erst im poetischen Spiel einen Namen finden. In seiner Betrachtung wird neben den alltäglichen Dingen das Nichtalltägliche sichtbar. Man muss das Auge einjustieren auf einen anderen, einen gelassenen Blick und in der Unterscheidung zwischen Sagbarem und Unsagbarem wankelmütig werden. Man muss aus dem Sagbaren das Geheimnisvolle und aus dem Unsagbaren das Wirkliche werden lassen und zusehen, wie es zu einer Entscheidung kommt: im Wortlaut des Gedichts.
(. ) Am Ende des Buches sind als Gastspiele drei Gedichte versammelt, die Ledergerber als Souvenir mitgebracht hat: von Abdel El Khalki, Carolina Francis und von Nouar Abidi (dessen Gedicht „Stein Stein“ allein eine wertvolle Entdeckung ist), mit denen er eine lebendige Abrundung der Geschichte erzielt. Etwas ist übrig geblieben. Gedichte bleiben und sind übrig.‘ Frank Milautzcki, Titel-Magazin