Aus Staatsraison und anderen Gründen

Roman

von

Vor seiner angestrebten Frühpensionierung gerät der honorige Ministerialrat Ottokar Theuritzpacher gehörig auf krumme Abwege, die sein Freund, der schon aus den Tanten des Adjutanten bekannte Staatsanwalt (hier noch Untersuchungsrichter) Franz Lechner als etwas kultiviertere Variante von »Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll« beschreibt. Auf Schloß Schechenjednitz, von den Bewohnern und Gästen ausschließlich »Schloß S.« genannt, betreibt der einstige Skandal-Jurist Drewitschko eine Parallel-Hautevolee mit leichten Mädchen aus Osteuropa, Experimentalmusik und umstürzlerischen Plänen, in der auch der ehemalige adlige Schloßbesitzer eine Schmollecke gefunden hat. Gelegentlich wird die heile Welt durch sinistre Gestalten aus dem Balkan gestört, die mit der Finanzierung des Frohsinns in engem Zusammenhang zu stehen scheinen.
Als Antwort auf die gegenwärtige europäische Krise werkelt im Schloß ein Trupp von Programmierern, die Großbanken zu attackieren und ein neues Finanzsystem nach den Ideen Silvio Gesells zu etablieren. In der Nähe des Schlosses schlägt sich eine Kolonie von neurechten Siedlern durch, mit sehr ambivalentem Verhältnis zu diesem.
Unverzichtbar für die gute Laune im Schloß ist ein besonderer Tee, den die scheue Mecklenburgerin Lisbeth zubereitet, die, in merkwürdigem Widerspruch zu diesem Amt und den sonstigen Schloßbewohnern, an keinem Sonntag die Messe versäumt. Theuritzpacher, den Lisbeth ungleich stärker reizt als das wohlfeile Angebot ringsum, verstrickt sich hier in einen Sumpf, wo es nicht nur um Kunst und Revolution, sondern auch um Entführung, Mord und Amtsanmaßung im Ausland geht.
Den Ausgang dieser Passion könnten Übelwollende als Ironisierung von Ehe und Familie mißdeuten. Es wird aber plastisch (manchmal vielleicht etwas zu detailreich) gezeigt, daß Gottes Wege unerforschlich sind und es Ihm oft gefällt, aus dem schwärzesten Moder die Lilie des Heils erblühen zu lassen.
Eine gelungene Mischung aus Kriminal- und Liebesgeschichte, ein Waldviertler Heimatbild zwischen Wiener Justizpalast und Glatzer Schneeberg und last not least eine gnadenlose Abrechnung mit der Crème der österreichischen Kulturschickeria.