Befragte Lichtungen.

Gedichte

von ,

Mit den drei Gedichtzyklen, die Lothar Klünner hier zusammengestellt hat, legt er seinen fünften Lyrikband vor. Darin zeigt er sich einer bestimmten Tradition der Moderne verpflichtet, für die Namen wie Ribaud, Apollinaire, Eluard und Char kennzeichnend sind. Sie sieht in der Metapher, dem poetischen Bild, den Brennpunkt der Dichtung. Solche Metapher hat nichts gemein mit dem herkömmlichen Vergleich, der die Wirklichkeit illustriert, sie zielt vielmehr darauf ab, das Unbekannte, das in uns lebt, das mehr Geahnte als Gefühlte, das vom Denken Anvisierte, aber noch nicht Formulierte, in einer kühnen Wortverbindung zu verbindlichen. An den Grenzen, wo dauernd ein heimlicher Austausch stattfindet, wo der Gedanke in Imagination übergeht und umgekehrt, kann sich die Sprache in neuer Freiheit entfalten. Innen und Außen, Realität und Raum, Zukunft und Vergangenheit miteinander verknüpfend, leben diese Gedichte ganz aus einer Sprache, die dem Knechtsdienst entsagt, Informationen weiterzugeben; einer auratischen Sprache (um mit Walter Benjamin zu reden), die, stumm nach konventionellen Begriffen, ihrer Fähigkeit zum Gesang vertraut. Weisen diese Meeres heißt der erste Zyklus. Der Doppelsinn des Wortes Weisen verbindet Existenzformen des Meeres mit dem Liedhaften. Dass diese sich vorzugsweise im Prosagedicht niederschlägt, ist kein Widerspruch: hier ist die Freiheit am größten, nichts beschränkt die Bildausbeute. Die zweite Reihe, Inselschrift, bringt Erfahrungen ein, die individuell und überpersönlich zugleich, dem Autor aus dem Alltag zugewachsen sind. Eine Bilanz der Abschiede und Einbußen, die lehrt, dass nur das verbleibt, was sich ins Innere retten ließ. Zuletzt werden geistige Landschaften vorgestellt, die breitwillig Auskunft geben: Befragte Lichtungen. Von zwölf Ölbildern angeregt, überlassen die Gedichte in meditativer Variation des Themas die Aussage den poetischen Bildern, die ihren Anteil an der Wahrheitsfindung genauso geltend machen wie die Malerei.