Die alten Gebräuche und Götter werfen lange Schatten bis in die Gegenwart. Noch wird in dem Dorf nichts mit Geld bezahlt. Ein Tauschhandel aus Materialien, Naturalien und Arbeit regelt den internen Verkehr. Man grüßt sich nicht, redet aber sofort miteinander, wenn auch nicht im Dialog. Handlungen und Wahrnehmungen scheinen kein Subjekt zu haben. Jeder hat Teil an einem kollektiven, mythisch-mahischen Wissen. Péter Nádas gibt uns in „Behutsame Ortsbestimmung“ einen verstörenden Einblick in eine uns fremde, geradezu archaische anmutende Dorfgemeinschaft im Westen Ungarns. Der Autor erinnert sich noch an die Zeit, als die Nachbarn unter dem riesigen Wildbirnenbaum auf seinem Hof leise singend an der großen Dorfgeschichte spannen.
In „Der eigene Tod“ gelingt dem Autor das fast Unmögliche: dem eigenen Sterben Sprache zu geben. Er schildert, wie er, 51jährig, auf offener Straße einen Herzinfarkt erlitt. Nüchtern hält er fest, wie er die den Infarkt ankündigenden Symptome verdrängt, beschreibt satirisch die Krankenhausgroteske um ihn herum und protokolliert beklemmend den klinischen Tod selbst, in dem er zwar das „Alltagsbewußtsein“, nicht aber das Bewußtsein verlor. Und aus dem er ins Leben zurückgeholt wurde mit einer nur mystisch zu nennenden Erfahrung: dass Licht für Gott noch „die glaubwürdigste Metapher“ sei.
- Veröffentlicht am Freitag 6. Oktober 2006 von Berlin Verlag
- ISBN: 9783827004024
- 80 Seiten
- Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur (ab 1945), Hardcover, Softcover