„Berlin, meine Liebe. Schliessen Sie bitte die Augen.“

Ungarische Autoren schreiben über Berlin

von

„Ich gestehe, ich liebe diese Stadt. … Ich liebe die eleganten weiß verputzten Fassaden der alten Charlottenburger Häuser, das viele Grün, die Parkanlagen, die üppigen Vierreihen der Platanen auf dem Kurfürstendamm, die vollen Kaffeehausterrassen.“
(Imre Kertész)
Wurzellosigkeit, Leichtigkeit und Schwindel befällt die ungarischen Autoren beim rastlosen Streifen durch Berlin, den Ort ihrer „Quasi-Emigration“, die geliebte Wahlheimat, die sirenenstimmige Traumstadt. Eingemauert in einen „Käfig der Freiheit“ (Péter Nádas) zu Mauerzeiten, haben sie seit den 1970er Jahren bis heute als Gäste des DAAD für ein Jahr in Berlin gelebt und gearbeitet. „Das Berliner Künstlerprogramm des DAAD war die wichtigste Auslandsvertretung der inoffiziellen ungarischen Kultur“ – resümiert György Dalos. Das vorliegende Buch versammelt die Beiträge dieser Autoren zu einer Hommage an Berlin. Ádám Bodor, György Dalos, László Darvasi, István Eörsi, Péter Esterházy, László F. Földényi, László Garaczi, Imre Kertész, György Konrád, Endre Kukorelly, Zsolt Láng, László Márton,Miklós Mészöly, Péter Nádas, Imre Oravecz, Lajos Parti Nagy, György Petri, Ferenc Szijj, Ottó Tolnai, László Végel, István Vörös – die Liste dieser Wahlberliner ist ein Querschnitt der zeitgenössischen ungarischen Literatur, zu deren wichtigsten Spielstätten auch Berliner Orte gehören. Vom legendären Storkwinkel in Halensee zum Mariannenplatz über den Potsdamer Platz bis zum Hackeschen Markt und von dort über die Stargarderstraße nach Pankow führen die Wege der Schriftsteller und sie erschreiben sich das Terrain auf je eigene Weise. Sie werden zu Taschendieben, schieben rastlos Kinderwagen durch die Gegend, trinken für die Freiheit oder schreiben still zu Hause. Doch sie planen auch ihre Auswanderung nach Amerika oder befürchten den Einmarsch der Sowjetarmee zur Silvesternacht… Und sie begeben sich auf die Suche nach der verlorenen Stadt, werden zu Mauerläufern und betreiben Tiefenbohrungen in die historischen Sedimente. Das Ende bleibt offen, wie Miklós Mészöly schreibt: „… aber was können wir noch tun? Nichts. Nur weitersuchen.“