Kaum ein Bauwerk war so scheußlich wie die Berliner Mauer, aber auch selten war ein Bauwerk so bunt und voller Poesie. Spontisprüche, Liebesschwüre und schrille Kunstwerke schmückten den Betonwall, der Berlin 28 Jahre lang teilte.
Waren es zunächst politische Parolen gegen das verhasste Grenzregime der DDR, die auf der West-Berliner Seite die hässliche Wand zierten, entdeckte ab Ende der 1970er Jahre die Popkultur die Mauer für sich. Namenlose wie namhafte Kreative verwandelten den weißgetünchten Bandwurm in das größte surreale Kunstwerk der Welt. Keith Haring, Kiddy Citny und Thierry Noir gehörten zu den berühmtesten Vertretern einer neuen Gattung der Malerei: der Mauerkunst.
Als sich Ende 1989 überraschend die Grenze der DDR öffnete, wurden die subversiven Werke auf der Westseite der Berliner Mauer zu weltweit gefragten Sammlerobjekten. Mit dem Ende der SED-Herrschaft konnte sich nun endlich auch die Kunst auf der Ost-Berliner Seite frei entfalten. Bevor die Abrisskolonnen das letzte Stück Mauer schliffen, bemalten über hundert Künstler aus aller Welt ein langes Stück des grauen Monstrums. Das Ergebnis dieser einmaligen Aktion im Jahr der Einheit 1990 ist heute eine berühmte Attraktion: die East Side Gallery, mit jährlich einer Million Besuchern eine der Top-Sehenswürdigkeiten Berlins.
Fotograf Günter Schneider und Autor Christian Bahr zeichnen die Entwicklung der Mauerkunst nach und zeigen, dass diese spezielle Kunstform über zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer noch immer prägend ist für das Berliner Stadtbild.