Eine Anthologie über Müllbeutel? Oh ja, denn es sind die kleinen Dinge des Alltags, die unser Leben bestimmen und prägen.
Der Müllbeutel ist eine neuzeitliche Erfindung, gerade einmal 60 Jahre ist er alt. Aber die zwei Kultur-Generationen, die ihn bislang genutzt haben, wissen Erstaunliches mit ihm anzufangen und von ihm zu berichten. Und das findet seinen Niederschlag in der Literatur der zurückliegenden Jahrzehnte: /
Wie gehen Autoren mit ihrem Müll um, was findet sich in ihrer Tonne – was beherbergen die literarischen Müllbeutel? – Kaum ein Autor, der seit den 50er Jahren durch eine der Metropolen gestreift ist und nicht den grünen, schwarzen, blauen, gelben Säcken begegnet wäre, die auf die Müllabfuhr warten. Während aber viele mit dem Müllbeutel schlichtweg nur die Oberfläche des wohlsituierten Großstadtlebens benennen, gehen andere tiefer: Italo Calvino etwa beobachtet sich selbst minutiös dabei, wie und mit welchen Handgriffen, mit welchem Bewußtsein er seine ‚Pubelle‘ leert, er gerät ins Räsonnieren darüber, wer sonst noch sein Müllbeutelchen in die Hand nimmt, welchen Weg es einschlägt, wie die Welt sich um seinen Müllbeutel gruppiert. Und geübt im genauen Schauen ist auch Peter Untucht, eine der neueren literarischen Stimmen, dem das mächtige Phänomen und technische Problem einer funktionierenden Müllbeutelrollenperforation ins Auge springt. Während schon die Gebrüder Grimm in ihrem Wörterbuch den Bogen zu spannen wissen von der nahrungsbeschaffenden Wortgruppe durch den Mehl mahlenden Müller hin zum Gemülle, tun sich allerhand vergnügliche Erkenntnisse über das Alltagsleben auf. /
En passant gewähren die Autoren dabei auch einen Blick über die Grenzen hinweg: Den Umgang mit dem Müllbeutelchen in Palästina führt uns Nicolas Born in der ‚Fälschung‘ vor, Goytisolo wandert mit der Spürnase für Abfallbehältnisse durch Paris, Rolf Dieter Brinkmann geht auf Beute(l)zug in Rom. Und was dabei nicht alles mit den Müllbeuteln sonst noch angefangen wird: Bei Umzügen dienen sie als Transportmittel für Kleider und Hausrat, einer Hausmeisterin werden sie zum Indiz für Persönlichkeitsmuster, Walter Benjamin entdeckt daran einen Grundzug kindlicher Welteroberung. Vom Stadtstreicher bis in den perfekt ausgestatteten Haushalt hinein ist der Müllbeutel präsent und unser nützlicher Begleiter durch das Leben – kaum wagt man es noch, einen Müllbeutel, naja, schlichtweg fortzuwerfen … /
Wir freuen uns, daß wir die Firma Melitta Haushaltsprodukte GmbH & Co. KG mit ihrer Marke Swirl® als Partner für dieses Buchprojekt gefunden haben – und Peter Untuchts Romanheld aus ‚Zwei hinterm Limes‘ könnte hier eine wirklich fein funktionierende Müllbeutelrollenperforation studieren! // In unserer Reihe ETIKETT, deren Bände jeweils mit einem Sponsor als Partner entstehen, stellen wir eine neue Anthologie vor, deren Thema erklärungsbedürftig sein mag:
Bei der neuerlicher Lektüre des hinreißenden italienischen Erzählers Italo Calvino einerseits und andererseits bei der Erwägung eines Periodikums über den ‚Standort D‘ trat wiederholt das mächtige Thema ‚Müll‘ in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit:
Calvino hat in den späten 70er Jahren seine kluge und weit ausholende Erzählung ‚Die Mülltonne‘ geschrieben und dabei die Soziologie unserer Materialkreisläufe erzählerisch präzise ins Auge gefaßt. Und dann kam über Gesprächen zur Debatte um den Standort Deutschland stets die Enge dieser Diskussionen auf: Aspekte wie globale Geld- und Wertstoffkreisläufe werden da gerne aus dem Auge verloren. Die Frage nach verantwortlichem Umgang mit Ressourcen und nach bewußter Handhabung des Abgelegten und Abgelebten wurde virulent – wir wurden wach für Autoren, die vom Müll und sorgsamem Umgang mit ihm sprechen … / Übrigens Abgelegtes: Da verweisen wir auf Ulrich Holbeins 16er-Bändchen ‚Nekrolog auf den Ladenhüter‘!
- Veröffentlicht am Montag 2. Januar 2006 von Dielmann, Axel
- ISBN: 9783933974761
- 176 Seiten
- Genre: Anthologien, Belletristik