Beziehungszauber

Clara Schuhmann und Johannes Brahms auf Rügen

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Wenige Monate bevor die 36-jährige Clara Schumann unter höchst ungewöhnlichen Umständen am 19. März 1855 ein Konzert auf Rügen gab, gestand der erst 20-jährige Johannes Brahms seinem Freund, dem Geiger Joseph Joachim (1831–1907), freimütig sein Liebe zu Clara: „Ich glaube, ich achte und verehre sie doch nicht höher als ich sie liebe und in sie verliebt bin. Ich muss mich oft mit Gewalt halten, dass ich sie nicht ganz ruhig umfasse und gar …“
Der junge Brahms wurde unmittelbar nach dem Selbstmordversuch ihres Ehemannes Robert Schumann zu Claras größter Stütze. Als sie am 22. März 1855 von ihrer Konzertreise, die sie bis nach Rügen geführt hatte, wieder in Düsseldorf eintraf, empfing sie Johannes, der schon einige Wochen zuvor zu ihr in die Wohnung in der Bilker Straße gezogen war. Clara schrieb über die Rückkehr: „Ich kann’s gar nicht sagen, wie glücklich ich war, den geliebten Freund endlich wiederzusehen …“

Jede neue Biographie über Clara oder über Johannes steht vor der Frage: Was war eigentlich zwischen den beiden? Die Deutungen reichen vom rein platonischen Verhältnis bis zur unsinnigen These, Johannes Brahms sei der Vater von Clara Schumanns letztem Kind gewesen.
21 Jahre nach Claras Konzert auf Rügen kam Johannes 1871 für viele Wochen auf die Insel und vollendete unter dem Eindruck der herrlichen Kreidefelsen seine erste Sinfonie. Begeistert schrieb er seinem Verleger: „An den Wissower Klinken ist eine Symphonie hängen geblieben.“

Das vorliegende Buch schildert nicht nur ihre beiden Rügen-Aufenthalte, sondern analysiert auch ihre nach wie vor geheimnisumwitterte Beziehung auf eine ungewöhnliche Weise: Es werden zwölf Brahms’sche „Liebesbeziehungen“ (1858–1896) erzählt und dabei wird auch gefragt, ob und wie Clara darauf reagierte.

Anhand der Biographien der drei Protagonisten und vor allem einer großen Vielfalt ausgewählter Zitate aus ihrem Briefverkehr untereinander schildert Reinhard Piechocki das Verhältnis der drei großen Ausnahmemusiker über mehrere fünf Jahrzehnte. Immer wieder sind ebenfalls Fakten bzw. Meinungen aus dem Briefwechsel mit Freunden und zeitgenössischen Musikern sowie auch späteren Biographen auf den 192 Seiten eingeflochten. Alle wichtigen Personen erscheinen zudem in zeitgenössischen Porträts.
Nach dem Prolog wird ein Bogen gespannt zum möglichen Liebesverhältnis zwischen Clara und Johannes, der mit ihrem Kennenlernen, dem Tod Roberts und Claras Rügen-Reise anlässlich des Konzerts 1855 beginnt und sich anschließend über zwölf Beziehungen von Johannes zu diversen Frauen, seine Rügen-Reise im Jahr 1876 sowie ihr späteres freundschaftliches Verhältnis bis zum Tod Claras und wenig später auch Johannes` Ableben zieht. Der Autor spürt dabei in fünf Kapiteln chronologisch der Leidenschaft, Eifersucht und Freundschaft zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms nach. Im Anschluss an den Epilog widmet er sich außerdem noch drei existentiell wichtigen Dingen im Leben von Johannes Brahms näher: dem Verhältnis zu Frauen, seinem speziellen Humor und der Vorliebe für gutes Essen und kräftiges Trinken.