Blumen für ein Chamäleon

Erlebnisse eines transsexuellen Models

von

Viktor wünscht sich nichts sehnlicher als ein Mädchen zu sein, das weiß er schon als kleines Kind. Doch der Weg dahin ist steinig. Der Vater: ein von Männlichkeit besessener Berufssoldat. Die Mutter: ein schwacher Charakter. Die einzige verlässliche Stütze ist die resolute Tante Christa. Sie nimmt sie unter ihre Fittiche, gibt ihr ein verständnisvolles Zuhause, verschafft ihr eine Lehrstelle als Friseurin und stärkt ihr den Rücken, als sie zufällig von einem Fotografen entdeckt wird. Schon vor der operativen Verwandlung von Viktor in Valeska startet die junge Frau eine internationale Karriere als Model – und das in einer Zeit, in der transsexuelle Models noch tabu waren, in der sie einen Teil ihrer Identität bei ihre Agentur, bei Kunden und unter den KollegInnen um jeden Preis verstecken musste. Ihr Bild war in großen Modezeitschriften wie ELLE oder VOGUE, ihr Gesicht ist verbunden mit Werbekampagnen wie der zu „Ivoire de Balmain“, auf den Prêt-à-porter-Schauen führte sie vor und nach ihrer Operation die Mode von Gaultier, Mugler, Lagerfeld, Chanel, Dior, Kenzo und Claude Montana vor – die Liste ließe sich verlängern: eine weitaus bessere Therapie als die Besuche bei diversen Psychologen.

Valeska Réon erzählt ihre Geschichte mit viel Dramatik, aber auch immer mit einem Augenzwinkern. Sie arbeitet gekonnt die Pointen heraus: Wie reagiert die bildhübsche Frau, die sich die primären Geschlechtsorgane eines Mannes mit Heftpflaster „wegklebt“, auf die Annäherungsversuche von Männern – vor allem, wenn sie diese auch noch attraktiv findet? Was soll sie tun, wenn sie einen Job in New York angeboten bekommt? Spätestens beim Bestellen der Flugtickets würde auffallen, dass sie eigentlich Viktor heißt. Was ist beispielsweise zu tun, wenn sie – biologisch noch immer ein Mann – plötzlich für Dessous werben soll? Der eingeweihte Fotograf arbeitet geschickt mit Licht und Schatten. Licht und Schatten fallen auch auf das Thema Nr. 1: die Männer! Sie hat es gehasst, selbst ein Mann zu sein, aber sie liebt sie als Frau. Aber kann sie die Männer letztendlich auch wirklich ernst nehmen?

In ihrem autobiografisch angelehnten, hier und da aber auch etwas „freien“ Roman beschreibt Valeska Réon jedoch nicht nur die Vielfalt des Lebens und das Verwirrspiel der Geschlechter, sondern vor allem die Tatsache, dass wir Geschöpfe sind, die geliebt und geachtet werden wollen. Ein weises und anrührendes Buch über die Natur des Menschen in all seiner Verletzlichkeit und Stärke.