Brand/Chapters/Dass wir Geister sind

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Fritz und Greta lernen einander in den 50er Jahren kennen und gründen eine Familie. Die Geschäftsidee von Fritz, sein Geld in Immobilien zu investieren, wird sich als goldwert erweisen. Deutschland wird nach den Zerstörungen des Krieges schnell wiederaufgebaut und Fritz wirkt kräftig mit am Wirtschaftswunder. Die Kinder Michael und Paulina wachsen in scheinbar gesicherten Verhältnissen auf. Doch sie tragen mit, was die Eltern belastet: das Schweigen über traumatische Erfahrungen, die sie als Kriegskinder in Bombennächten oder auf der Flucht erlebt haben; die verdrängte Trauer um Verstorbene, Geschwister, den Vater, die beste Freundin, die zu seelischer Entwurzelung führt. Bettina Erasmy erzählt die komplexe Geschichte einer westdeutschen Familie über den Zeitraum eines halben Jahrhunderts hinweg. Wie Traumata und Gefühlskälte sich einschreiben in die DNA, in die Körper einer Familie, darüber schreibt die Dramatikerin in erstaunlich leichtfüßigen und komischen Dialogen. Mit liebevoller Distanz entwirft Erasmy Bühnenfiguren, die einem nahegehen, und schreckt nicht zurück vor drastischen Bildern, die deshalb so stark berühren, weil sie an kollektive Erfahrungen rühren.
Dieser Band vereint neben Brand. Eine deutsche Familiengeschichte zwei weitere Stücke der Dramatikerin Bettina Erasmy: Chapters ist das Protokoll eines Ausstiegs, ein Roadmovie – der sprunghaften Logik eines Traums folgend –, in dem die Protagonistin eine scheinbar gesicherte Existenz eintauscht gegen ein Leben auf der Straße. Dass wir Geister sind erzählt wie Brand eine Familiengeschichte: Zwei Jahre nachdem Klaus am Tag seiner Verlobung mit Anna bei einem Autounfall stirbt, ist er wieder da, ausgerechnet am Tag der Verlobung von Anna und Malte. Klaus, der das geheime Zentrum der Familie war und in den Erzählungen und Erinnerungen der Hinterbliebenen weiterlebte, erscheint höchst lebendig bei dem kleinen Familienfest, dem auch Klaus‘ Eltern und sein Bruder beiwohnen. Die Wahrnehmung der Figuren verschiebt sich, die schwarze Komödie von Erasmy trägt bald deutlich surrealistische Züge.
Bettina Erasmys dramatisches Werk weist die Autorin als intelligente und feine Chronistin der Gegenwart aus. Die besondere Stärke von Erasmys Stücken liegt in der Schärfe und Genauigkeiten einer glasklaren Sprache, in der Leichtigkeit und im Esprit der Dialoge, in der Erzählhaltung, in der Tragödien ohne Ironie und Komödie nicht zu denken sind.