Die Entropie der Ordnung
Wir entrinnen dem Unwahren nur mit Hilfe der Raserei, aber kaum kommen wir wieder zu uns, kehren wir zum Unwahren zurück, und da wir nicht zur Wahrheit gelangen können, ohne der Verzweiflung und Zügellosigkeit zu verfallen, reden wir von Authentizität, um nicht zugeben zu müssen, dass wir immer noch lügen. Es ist uns gelungen, auf zwei Ebenen zu lügen, um uns davon zu überzeugen, dass die Objektivität ihre Rechte wahrt, stellen wir sie einander entgegen, wir sprechen sogar von Dialektik, wenn wir gerade die Ebene wechseln, unsere Hauptsorge besteht darin, uns aufzuregen, statt uns zu bewegen, und der Auseinandersetzung auszuweichen, statt sie zu suchen. So gären wir in einer geschlossenen Sphäre, wir geben unseren Auftritt, und immer trägt das Palaver den Sieg davon, aber diese Sphäre wird von einer verhängnisvoll gewordenen Geschichte, die wir immer weniger bestimmen werden, davongetragen, ein Wirbel, dem wir durch unsere Werke unwillentlich einen entscheidenen Stoß gaben und den unsere Ideen nicht einholen. Wir haben aufgehört, uns selbst zu begreifen, wir übernehmen keine Verantwortung mehr für uns und versinken in den Zustand, der uns behagt und aus dem uns einzig die Katastrophe befreien wird, wir lassen es angesichts unserer Gewissheit an Männlichkeit fehlen, wir sind Frauen vor dem Schicksal.
- Veröffentlicht am Mittwoch 1. Januar 1986 von Matthes & Seitz Berlin
- ISBN: 9783882212327
- 200 Seiten
- Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur (ab 1945)