‚Im Rückteil der Kabine hatte er ein Loch in den Boden
des Flugzeugs bohren lassen, so daß man auch
Senkrechtaufnahmen machen konnte. Wir flogen oft
und teilten uns die Spritkosten. Immer, wenn wir abhoben,
tat er einen lauten Jauchzer vor Freude. Ein
toller Kerl. Wir flogen nicht nur über das Wattgebiet von
Hayward, sondern über die ganze südliche Bucht, deren
vielfach verästelte Priele bei Niedrigwasser bizarre
Muster abgeben. Wir flogen auch über die San Andreas
Fault entlang der Lower and Upper Crystal Springs
Reservoirs zur Half Moon Bay, von wo aus man San
Francisco liegen sieht, die Metropole mit ihren Hochhäusern,
und die Golden Gate Bridge. Oder über Palo
Alto und die Stanford Ranch mit dem hohen Bibliotheksturm,
über die Küstenberge zum Pazifik, zur
Año Nuevo Bay. Ich konnte durch das Bodenloch mit
beiden Kameras photographieren, sowohl mit der Leica
als auch mit der Großbildkamera. Nie kehrten wir
ohne üppige Photobeute zum Hayward Air Terminal
zurück.
Vielleicht liegt die Faszination der amerikanischen
Landschaften, gerade der Wüstenlandschaften, in ihrer
Geschichtslosigkeit. In Deutschland, etwa in Brandenburg,
lebt die eher schlichte Landschaft von ihrer Geschichte.
Hier hat der Große Kurfürst gesiegt, dort hat
Napoleons Armee eine Schlacht verloren. Die eigentliche,
menschenlose Natur ist unter Äckern, unter Wald
und Heide verborgen. Im amerikanischen Westen,
in den Wüstenlandschaften herrscht eine grandiose,
menschenlose Natur ohne menschliche Eingriffe. Hier
herrscht die Erdgeschichte, ein Faszinosum besonderer
Art, wer sie lesen kann, ist doppelt beschenkt.‘
Hillert Ibbeken war 1980/81 Gastprofessor an der
California State University in Hayward an der Bucht von
San Francisco. Er benutzte die Wochenenden und die
vorlesungsfreie Zeit, um sich im Lande umzutun und
die Berge und Täler, die Küsten und Naturparks zu
photographieren. Ganz altmodisch in Schwarzweiß und
mit einer großformatigen Balgenkamera.
Er kam aber nicht nur mit dem Land, sondern auch
mit den Leuten zusammen, wie das bei einem einjährigen
Aufenthalt nicht ausbleiben kann. Ibbeken erzählt
von der amerikanischen Freundlichkeit, von Studenten
und Kollegen im Universitätsbetrieb und von den
Freundinnen und Freunden, mit denen er musizierte.
Hillert Ibbeken war bis zu seiner Pensionierung Professor
für Geologie an der Freien Universität Berlin und
beschäftigte sich zeitlebens mit Architekturphotographie.
In der Edition Axel Menges erschien eine vielbeachtete
Trilogie über die preußischen Architekten Karl
Friedrich Schinkel (2001, zusammen mit Elke Blauert),
Ludwig Persius (2005) und Friedrich August Stüler
(2006).
- Veröffentlicht am Montag 28. Oktober 2024 von Edition Axel Menges
- ISBN: 9783936681116
- 120 Seiten
- Genre: Film, Fotografie, Hardcover, Kunst, Softcover, TV, Video