Aris Fioretos verwendet für seine Liebeserklärung an den Roman das Bild eines primitiven Urwesens in einer Wasserlache am Strand. Die Qualle ist ein minimales Wesen ohne Rückgrat und Nervensystem, ohne Muskeln und Glieder, fast wie das Wasser, das es umgibt; und dennoch ein vollkommenes. Versucht man, es in die Hand zu nehmen, so stellt man fest, dass es unmöglich ist, da es keine Form besitzt. Seine Eigenschaften, die Vielfalt, Ambivalenz, Dehnbarkeit und Formlosigkeit, die Zärtlichkeit und Gebrechlichkeit, aber auch die Anmut einer Qualle (auf Griechisch: Medousa) dienen als Vorbild für eine literarische Methode und als Sinnbild für die Prosa, die populärste literarische Gattung, die mit dem antiken Heldenepos begann. Als versteinernde Medousa – so der Name des Tieres auf griechisch – nützlich für das Kanalisieren, Formen und Richten des literarischen Stoffes, als formlose Qualle für die Dissemination des Zentrums und die Brechung der großen Narrative, wenig geeignet für die Beschreibung von Helden, die üblicherweise in einer handfesten Handlung eingerahmt werden und das Rückgrat von Erzählungen bilden. In seinem schlingernden Exkurs in die literarische Ästhetik von Ovid bis Benjamin stellt Fioretos seine Poetik dar, die ihm übrigens auch als Basis für seine neueste »griechische Trilogie« fungierte.
- Veröffentlicht am Freitag 7. September 2018 von Edition Romiosini
- ISBN: 9783946142577
- 46 Seiten
- Genre: Belletristik, Essays, Feuilleton, Interviews, Literaturkritik