C/O Berlin Talents 38: Sasha Kurmaz / Svea Bräunert

Method

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Regeln aushebeln, Irritation erzeugen. Sichtbar machen, was im Alltag permanent untergeht. Völlig unerwartet. Right in the face! Die nonkonformistischen Aktionen von Sasha Kurmaz finden immer im öffentlichen Raum statt und unterbrechen fast beiläufig die Monotonie vertrauter Wahrnehmungsweisen. Die fotografischen Situationen und illegalen Interventionen des ukrainischen Künstlers sind der Sand im Getriebe. Sie hinterfragen Gewohnheiten und eröffnen neue kulturelle und soziale Freiräume. Seine Haltung ist Guerilla oder Punk – autonom, spielerisch, grenzverletzend, radikal. Fotografie ist für ihn nicht nur ein Instrument, um das Leben wiederzugeben und zu erklären, sondern um das transgressive Potential von Kunst auszuschöpfen und so das Verständnis von Gesellschaft zu verändern. Welche künstlerische Methoden wendet Sasha Kurmaz hierfür an? Welche Konstellationen erzeugt er? Und was lösen seine Strategien aus?

Sasha Kurmaz platziert seine teils explizit sexuellen Bilder bewusst und willkürlich zwischen die Seiten von Büchern in Buchhandlungen. Er bricht Werbe-Displays an öffentlichen Orten auf und ersetzt die ursprünglichen Plakate durch Bilder von Obdachlosen. An Metro-Ausgängen verteilt er an Passanten Zettel mit Fotografien, die den denselben Ort nur einen Tag vorher abbilden. Er steckt unbemerkt Fremden seine Abzüge in deren Jackentaschen. Er schneidet Teile aus Werbebannern, löscht somit jede kommerzielle Information und erzeugt einen neuen Kontext. Durch all diese erratischen Aktionen und Zweckentfremdungen verschiebt er seine fotografisch-künstlerische Praxis in Richtung sozialer Interaktion und persönlicher Begegnung. Der Betrachter bleibt unsicher, was das Ganze bedeuten soll – was genau hat das mit ihm zu tun? So wird er für einen kurzen Moment für seine Umgebung sensibilisiert – wie ein Stolpern, dass erst den Akt des Gehens bewußt macht.

Bei all diesem Situationismus sind nicht das einzelne Bild und dessen Motiv wichtig, sondern deren Wirkung in einem spezifischen Kontext. Für Sasha Kurmaz ist es nicht der fertig gerahmte Print an der Ausstellungswand, welcher zählt, sondern die künstlerische Aktion selbst. Damit steht er in der Tradition eines konzeptuellen Umgangs mit Fotografie, wie er seit den 1970er Jahren eingeführt wurde. Auch damals wurde das bisherige Verständnis von Fotografie auf den Kopf gestellt und führte darüber zu einer Erweiterung von Verwendung, Wahrnehmung und Definition des Mediums Fotografie.

Sasha Kurmaz kommt aus der Grafitti-Kunst und verwendet Fotografie wie eine Sprühdose. Wenn jemand in einer Stadt seinen Tag auf eine Wand sprayt, wird diese Geste den Raum sofort symbolisch zerstören, erobern und ihn sich aneignen. Diese Logik im Verständnis des öffentlichen Raums, bei der man sich auf diesen einlässt und zwischen Menschen und Orten Beziehungen herstellt, lässt er auch in seine fotografische Praxis einfließen.