Joschi Anzinger, als dessen Freund ich mich bezeichnen darf, hat wiederum ein Meisterstück im Mühlviertler Dialekt geschaffen. Es ist der Granit des Mühlviertels, der Joschi inspiriert und auf dem bunte Wiesen und herrliche Wälder gedeihen. Denn der Granit, der, wenn die Sonne auf ihn scheint, in mystischer Pracht zu glänzen vermag, hat viele Geheimnisse. Ebenso wie Joschi. Das große Geheimnis von Joschi, der sich diesmal an den zweiten Teil von Goethes Faust wagt, liegt wohl darin, dass er sich der alten Sprache des Mühlviertels, es ist die Sprache seiner Kindheit, bedient, und uns ein meines Erachtens sehr kompliziertes Stück nahezubringen wagt. Gewiss ist es eine Kühnheit, sich mit diesem Werk, das unendlich und vielgestaltig erscheint, zu beschäftigen. Dazu gehört Freude am Dialekt und Beharrlichkeit. Die Beharrlichkeit besitzt mein Freund Joschi, er gleicht hierin dem Granit, dessen Glanz den Unbilden des Wetters durch die Jahrtausende trotzte. Mit dem Granit ist daher ein besonderes Rätsel verbunden, aber ebenso mit den Menschen, die auf dem Granit leben und aus diesem sogar ihre Häuser bauen. Vielleicht ist es diese granitene Welt, die dem Dialekt seiner Menschen seine besondere Färbung gibt. Joschi beherrscht dieses Mühlviertlerisch in all seinen Feinheiten. Und er weiß es auch in schönen Worten und Versen niederzuschreiben, so, wenn er von „gfunddns fressen“ oder von der „himmlischn gmoa“ schreibt.
Die Aufarbeitung von Goethes „Faust“ ist ein Abenteuer, auf das sich Joschi mit Erfolg eingelassen hat und das ihm Lorbeeren brachte. Nun hat er sich an „Faust II“ herangewagt. Er tut dies in der Manier eines Wanderers, der durch das Mühlviertel geht und die Orte beschreibt, durch die er zieht. Im Weiterschreiten denkt er über das alles nach. Allerdings sind es nicht griechische Göttinnen und Götter, die Joschi auferstehen lässt, sondern die alten germanischen Götter, die sich von ihren griechischen Kollegen nicht viel unterscheiden. Denn auch Wotan erfreut sich – ähnlich wie Zeus – an himmlischen Damen. Es ist die germanische Göttin der Liebe, die Freya, die Wotan reizt und die es möglich macht, dass die Erde blüht und zum Wohle der Menschen Früchte wachsen. Die nordischen Götter faszinieren Joschi, denn sie passen zum Granit, dem Urgestein des Mühlviertels. Daher ist es für den Autor auch klar, dass die Göttinnen und Götter den Mühlviertler Dialekt beherrschen und in diesem angesprochen werden.
So wird aus Wotan, dem Göttervater, der „wodan“, und aus dessen Geliebter „d augnwoad“. Aber auch sonst bestimmt die Sprache der alten Mühlviertler im „da GRANIDD fausdd taö zwoa“ die Bühne. Daher tritt die Dienerin des Mephisto als „hausmoasddarin“ auf und Famulus, der Assistent des Faust, als „da greizbravi maxl“. Zur germanischen Götterwelt gehören die Asen, die Schicksalsgottheiten, sie symbolisieren das Jahr.
Im Mühlviertel wird bei Joschi aus dem Gott Uller, dem der Jänner zugeordnet wird, „s weissi nix“, aus dem Donar, er ist der Gott des August, „da duscha“. Der Donar lässt es „duschen“, er bringt Blitz und Donner im Sommergewitter. Joschi ist ein Meister der Mundart, mit der er aufgewachsen ist, in der er lebt und träumt, denkt und fühlt.
Dem Dichter ist es zu danken, dass er, genauso wie im ersten Teil des „GRANIDD fausdd“, die alte Mundart des Mühlviertels, die Sprache seiner Kindheit, verwendet, um seine Geschichten zu schreiben. Damit gelangt er, wie er meint, zu seinem „literarischen Brunnen, zum Urquell seiner Wahrnehmung in der Kindheit“. Der Weg dorthin war sicher nicht leicht für Joschi, es war ein Weg der Reifung und der Schulung seiner Beobachtungsgabe. Vor diesem Hintergrund sind nach sechs Gedichtbänden sein erstes großes Epos „s mühlviaddla nibelungenliad“, eine graniose Geschichte von Liebe und Hass, Eifersucht, Neid, Leidenschaft und Vergeltung, sowie seine zweite große literarische Arbeit, „da GRANIDD fausdd“, hervorgegangen. Und nun schenkt uns Joschi nach dem ersten Teil von Goethes Faust den zweiten Teil der Tragödie – wiederum in bestem Mühlviertlerisch. Beeindruckend ist die literarische Kraft und Magie seines Dialekts, und man kommt aus dem Staunen nicht heraus, was die Mundart alles zu leisten imstande ist. Als kleines Beispiel unter vielen möchte ich eine Sequenz aufgreifen, wie saftig und poetisch es klingt, wenn Joschi die „ouzinddadi“, in der nordischen Mythologie die Schicksalsgöttin „Urd“, eine der drei Nornen, sie symbolisiert die Zukunft, sagen lässt:
„. hiaz sei a gschichdd fias lebm, woun oile gschichddn z end und lenxdd vazöhd/
und sei a liachdd fia d zeid, woun oile liachdda va da ounxdd vaschdöd/
kim sei a dram fia d wäd, woun oile oundan dram nedda a gfoa/ und sei a liad
fias heazz, des niamois endd, waö oile oundan liada lenxdd schou oile goa/
hiaz sei a zü en nix, woun neamdd mea woas, wo vorn und hindd und obm und undd
und ei und aus/ kim sei a houmad, sei a gwän, a loab, a sä/ und sei a sinn, a gfüh/
wo niada woas sei muaddaschbroch, sei voddahaus.“
Joschi Anzinger hat mit „da GRANIDD fausdd taö zwoa“ seine Epen-Triologie um eine weitere Facette bereichert, und er hat natürlich wieder ein Hörbuch, selbst besprochen und mit 4 CDs im Buch, erarbeitet. Joschis phonetische Schreibweise ist anfangs beim Lesen gewöhnungsbedürftig, aber „das gesprochen so geschriebene Wort“ mit den weichen Doppelkonsonanten hat System, denn die Mundart des Mühlviertels ist ebenfalls weich und rund wie die Mühlviertler Landschaft. Der Autor hat auch wieder, wie es in seiner Tradition steht, seine langjährigen musikalischen Weggefährten Josef Wiesinger und Gottfried Kletzmair, „D Mühlviertler Okarinamusi“ eingeladen, mit ihren edlen Klängen das Hörbuch zu vollenden.
Und der Erfolg gibt ihm recht. Qualität geht vor Quantität.
(Roland Girtler)
- Veröffentlicht am Sonntag 30. Juni 2013 von Bibliothek der Provinz
- ISBN: 9783990282137
- 152 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur