Das dritte Auge

Punktierungen

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Ales Rasanau gehört zur stillen Sorte von Dichtern. Er macht kein Aufhebens um seine Person, lehnt ‚Ichhaftigkeit‘ und Originalitätssucht im Schreiben ab und kümmert sich weder um Zeitgeist-Themen noch um literarische Trends. Poetische Arbeit bedeutet für ihn das Angerührtwerden von einem Stoff, einem Ding – und das Echo darauf. Seine ‚Punktierungen‘ sind haikuhafte Gebilde von großer Lakonie und lapidarer Schönheit, die sowohl auf Pointen wie auf Metaphern verzichten. Scheinbar unprätentiös realisieren sie am vollkommensten, was Rasanau als poetische Arbeit bezeichnet: von einem Stoff, einem Ding angerührt werden – und darauf antworten. Wobei eines mitspielen sollte: die paradoxe Verbindung von ‚außerordentlichem Zufall und außerordentlicher Gesetzmäßigkeit‘. Die Abwesenheit des ‚Ich‘, des ‚Begehrens‘, der Zielstrebigkeit ermöglicht eine anmutige Anwesenheit der Dinge, die ein Eigen-Gewicht und eine Eigen-Sprache erlangen. Reduktion, nicht Opulenz ist Rasanaus Motto, wobei der Schreibprozess einem geduldigen Geschehenlassen gleicht (‚der Funke springt von alleine‘), das sich nicht viel aus sogenannter handwerklicher Professionalität macht. Die in diesem Band versammelten ‚Punktierungen‘ nehmen kleine Alltagsbegebenheiten oder Naturszenen zum Anlass für ein poetisches Echo. Das Entsorgen von Flaschen, die Begegnung mit einem Mönch, der Anblick eines rauchenden Mädchens oder der eigenen abgetragenen Schuhe werden ebenso zu ‚Epiphanien‘ wie der Wind in den Halmen, ein Rabe im Geäst oder der sich ständig wandelnde See. Ja, es ist nicht falsch, ganz unemphatisch von Offenbarungen zu sprechen, da das – in der verdichteten Form – Dargebotene die ‚Essenz‘ zur Evidenz bringt.
Diese Kunst will nicht erregen, sondern ‚wachrufen‘, durchlässig machen. Rasanau ist ein Weiser, dem es nicht an Humor gebricht; er weiß, dass der Weg zur Metaphysik über das Physisch-Sichtbare führt, dem liebevolle Aufmerksamkeit gebührt.