Das Haus in Habana

Ein Rapport

von

»Das Haus in Habana« ist keine der üblichen Abrechnungen mit Cuba. Marko Martin kennt die Region seit langem und ist deshalb keineswegs naiv »enttäuscht« von dortiger Realität. Schriftsteller
freunde und aus Cuba vertriebene regimekritische Intellektuelle hatten ihn bereits zuvor auf hoch ambivalente Erfahrungen eingestimmt. Doch nicht auf dieses Ausmaß. Denn auf seiner ersten Cuba-Reise gerät das bisherige Koordinatensystem bald ins Wanken: Wem kann er trauen, was verbirgt sich hinter (verborgenen) Absichten, wo endet tropische Lebensfreude und beginnt politische Existenzangst, wie vermischt sich beides im Gespräch, ja selbst in der Sexualität? Und wie nimmt er, einst als Kriegsdienstverweigerer aus der DDR ausgereist, die letzte Diktatur in der Karibik wahr, die nun in einen partei-gelenkten Frühkapitalismus hineinstolpert?
»Das Haus in Habana« scheint nämlich (ähnlich wie »Das Haus in Montevideo«) eine Art Bordell zu sein – und das Nachbarhaus die Stasizentrale des Viertels. Martins Buch ist deshalb auch Hommage auf Guillermo Cabrera Infantes legendären Roman »Drei traurige
Tiger«, der auf Cuba bis heute verboten ist.
Martins Sprache – hingerissen von tropischer Sensualität, spielerisch, tabulos und gleichzeitig skeptisch-reflexiv – schmiegt sich der komplexen Post-Castro-Wirklichkeit an, um sie sich auf diese Weise anzuverwandeln oder auch von ihr überwältigt zu werden: Das literarische Journal wird zum pikaresken Entwicklungs- und Schelmenroman.
Marko Martin, geb. 1970, lebt, sofern nicht auf Reisen, als Schritsteller in Berlin. In der renommierten Anderen Bibliothek erschienen die Erzählbände »Schlafende Hunde« und »Die Nacht von San Salvador«, bei Wehrhahn die Essaybände »Kosmos Tel Aviv« und »Treffpunkt ’89« sowie das Südafrika-Tagebuch »Madiba Days«.