Das Messer mit dem hölzernen Griff

Roman

von

Sechs Bewohner eines Sommerhauses unweit von Istanbul: Wie reserviert, ja feindselig sie einander auch gegenüber stehen, warten sie alle an einem Julitag des Jahres 1979 mit ähnlicher Sehnsucht auf den einen Gast. Dieser verkörpert für jeden einzelnen die eigene Vorstellung von geglückter Existenz, verheißungsvoller Zukunft und selbstloser Gesprächsbereitschaft. Doch die Professorin, die Demenzkranke, der Naturbursche, die Landpomeranze, der Student und der Schüler sind in ihren Ansichten zu dieser politisch und sozial tief verunsicherten Zeit des Landes unüberbrückbar voneinander entfernt und bleiben selbst in ihrem Warten jeder für sich allein. Wir ahnen, daß der seltene Gast -selbst nicht frei von Unsicherheiten- unmöglich alle Erwartungen zugleich wird erfüllen können. Zudem warten auch die Kontrahenten der Bildungsbürger in diesem Sommerhaus auf ihn: der ‚Marktplatz‘ des Städtchens mit seinem tiefen Argwohn gegenüber den ‚Fremden‘ und die Zementfabrik, die am Ortsrand zu jener Zeit noch völlig ungehemmt ihr umweltzerstörerisches Unwesen treibt. – Tiefgründig, satirisch überspitzt und schonungslos nimmt der Erzähler zum einen die gebildeten Zugezogenen, zum anderen die engstirnigen Alteingesessenen aufs Korn. Was sich aus dieser Dekonstruktion ergibt, ist ein dichtes Tableau der späten 1970er Jahre, einer Zeit, die mitten in die ’schlimmen Dekaden‘ der jüngsten Geschichte der Türkei gehört. Schon allein deshalb handelt es sich beim Messer mit dem hölzernen Griff um einen Roman des Erinnerns. Doch erinnert wird auch das Berlin des Jahres 1939, wo ein tragisches Schuldegefühl seinen Anfang nahm.