Das Mögliche ist ungeheuer

Ausgewählte Gedichte

von

1942/43 gleichzeitig mit der frühen Prosa (›Aus den Papieren eines Wärters‹, detebe 20848) und den ersten Sücken (›Es steht geschrieben/Der Blinde‹, detebe 20831) begonnen und seither parallel zu seinem dramatischen, Prosa- und essayistischen Werk entstanden, erschien Dürrenmatts Lyrik lange nur vereinzelt in Zeitungen und Zeitschriften, die Werkausgabe von 1980 brachte zusammen mit den Essays und Reden gerade ein rundes Dutzend Gedichte. 1985 allerdings gefolgt von der Ballade ›Minotaurus‹. So ist Dürrenmatts Lyrik bis heute nur wenigen bekannt, während seine Gedichte und Songs aus den Stücken längst zu Klassikern geworden und aus den Anthologien nicht mehr wegzudenken sind – von Akkis ›Makamen‹ aus ›Ein Engel kommt nach Babylon‹ bis zum ›Psalm Salomos, den Weltraumfahrern zu singen‹ aus ›Die Physiker‹. Der Band bringt nun, drei Jahre nach Dürrenmatts Tod, dreißig großenteils unveröffentlichte Gedichte aus dem Nachlaß: Liebeslieder folgen auf Sternenhymnen, Lebensbilanzen auf politische Psalmen; das Gedicht vom Midas, dem mythischen König, dem alles, was er anfaßte, zu Gold wurde, auf warnende Zukunftsvisionen; Prosaballaden stehen neben streng gereimten Liedern. Bei Dürrenmatt ist die Lyrik nicht Anlaß für einen Rückzug in den Elfenbeinturm, sondern, neben Komödie, Roman, Novelle und Essay, eine weitere Form, mit der er die Welt – von der Naturwissenschaft zur Philosophie, Literatur, Kunst, Politik bis zum Theater – zu durchdringen und zu bestehen versucht.