Das Priestererbe

Ein Beitrag zur Geschichte der Wiederkatholisierung Deutschlands

von

Ende Mai des Jahres 1888 gind die Kunde von einer nach vielen Millionen zählenden Erbschaft, welche einem durch seine hervorragenden Stellung als ultramontaner Agitator bekannten Domherrn in Breslau von einem katholischen Pfarrer in Schlesien zugefallen war, durch alle Zeitungen des In- und Auslandes.
Woher kam einem Pfarrer so ein fürstliches Vermögen?
Nachforschungen bei Personen, welchen die Geschichte des Erbgutes bekannt war, die Einsicht in Dokumente und hinterlassende Schriften und Mitteilungen von den verschiedensten Seiten gaben dem Verfasser nachfolgender Erzählung Aufschluß über die Art und Weise der Erwerbung des Vermögens seitens des katholischen Pfarrers, und es stellten sich folgende Tatsachen heraus:
Um die Mitte der dreißiger Jahre kam der Pfarrer G. nach Dorf und Herrschaft H. in Schlesien als Seelsorger der dort inmitten einer protestantischen Bevölkerung zerstreut lebenden Katholiken. Besitzer der Herrschaft H. war damals der der protestantischen Linie dieses Geschlechts angehörende Freiherr M. von D., ein allgemein geachteter und hochgebildeter Mann. Der katholische Pfarrer fing alsbald mit der Frau des Freiherrn einen „Roman“ an, infolgedessen der Freiherr von D. in das Irrenhaus kam und dort starb. Der Pfarrer wurde „bevollmächtigter Gschäftsführer“ der Baronin und regierte in H. gleich einem Pascha, die Verrichtung seiner priesterlichen Amtshandlung einem Kaplan überlassend. Die Baronin von D., welche ganz in seine Hand gefallen war, starb unerwartet im Jahre 1866. Es kam ein Testament zum Vorschein, in welchem der Pfarrer G. zum unbeschränkten Universalerben eingesetzt war unter gänzlicher Nichtachtung der traditionellen Familienbestimmungen über die Vererbung der freiherrlich von D.schen Güter.