Das Testament des Abbé Meslier

Die Grundschrift der modernen Religionskritik

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Die weltweiten Aufwallungen des Religiösen treffen auf eine besorgniserregende Selbstvergessenheit in weiten Teilen des spätmodernen Kulturbetriebs, der zunehmend seine säkular-humanistischen Wurzeln verrät und missachtet. Verführt durch den pompös inszenierten Medienkatholizismus und als Kontrast zur Marktanbetung im Wirtschaftsteil lesen sich die postmodern verbildeten Feuilletons mittlerweile wie eine Ansammlung von Bewerbungsschreiben für kirchliche Huldigungsblätter.

In Form der gewalttätigen Kollision zwischen dem fundamentalistisch inspirierten US-Kapitalismus und der islamistisch entzündeten muslimischen Herrschaftskultur erleben wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor allem aber erneut eine weltpolitisch bestimmende Konfrontation zwischen religiös ausgerichteten Herrschaftsträgern und -aspiranten. Zunehmend wird deutlicher, dass religiöse Glaubensformen nach wie vor als desorientierende Bedeutungssysteme wirken, die menschliche Widerspruchs- und Krisenerfahrungen in eine regressive, reaktionäre und selbstzerstörerische Richtung lenken.

Vor diesem Hintergrund ist der Nachlasstext von Jean Meslier, der mit dieser Neuveröffentlichung nun wieder in deutscher Sprache zugänglich gemacht wird, keinesfalls ‚nur‘ von rein geistesgeschichtlichem Interesse, sondern von brennender Tagesaktualität.

Mesliers „Testament“ zeichnet sich dadurch aus, dass hier zum ersten Mal in umfassender und systematischer Weise radikale Herrschaftskritik und radikale Religionskritik eine ‚organische‘ Verbindung eingehen. Im Grunde beginnt mit dieser kritischen Offenlegung religiöser und gesellschaftlicher Herrschaftssynthese der ‚eigentliche‘ sozial- und subjektemanzipatorische ‚Diskurs der Moderne‘.