Das Verhängnis einer Illusion

von

Martin Tross graust es seit kurzem vor den Nächten und dem darin häufig wiederkehrenden, verstörenden Traum, in dem sich alle seine realen Existenzängste, ideologischen und zwischenmenschlichen Konflikte, sein unaufhaltsamer sozialer Abstieg und seine zunehmende Vereinsamung widerspiegeln. Deutschlands Wiedervereinigung 1990 ist zu einer schicksalhaften Zäsur und schmerzlichen Erfahrung für den Fünfzigjährigen, einen SED-Genossen aus tiefster Überzeugung, geworden, denn sehr bald schon wird sein bisheriges, geordnetes Privat- und erfolgreiches Berufsleben scheitern.
Der bekennende Kommunist, der an seiner Kompromisslosigkeit und Ignoranz gegenüber dieser neuen Gesellschaftsordnung unbeirrt festhalten will, sieht in deren Wirtschaftssystem die erneute Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Dass die bisherigen volkseigenen Produktionsmittel, einst die bedeutsame Errungenschaft des Sozialismus, wieder in Privateigentum umgewandelt werden, betrachtet er als einen gravierenden historischen Rückschritt in der ostdeutschen Geschichte.
Schon immer hat er die Scheinheiligkeit der berechnenden Karrieristen und Mitläufer in der damaligen DDR verachtet und bediente daher keinesfalls das übliche Klischee eines SED-Genossen. So muss Martin Tross – ehrlich, geradlinig, aber auch äußerst sensibel – alsbald verbittert feststellen, dass sich bereits kurz nach „Deutschlands Wende“ viele seiner Parteigenossen in ehemals leitenden Positionen nicht nur politisch völlig neu orientiert, sondern auch sehr schnell in den Direktionsetagen großer westdeutscher Konzerne, Banken und Unternehmen etabliert haben.
Dennoch gerät auch er im Laufe der Zeit in Situationen, die ihn seinen bisherigen strengen moralischen Wertmaßstäben gegenüber untreu werden lassen. Sowohl falscher Stolz als auch mangelndes Selbstwertgefühl und zunehmende Resignation führen oftmals dazu, sein von anhaltender Arbeitslosigkeit geprägtes Leben in dieser Leistungsgesellschaft zu verleugnen. Der Inhalt des Romans ist spannend und dramatisch angelegt.
Dieses Buch könnte als Fortsetzung des vorherigen Romans „In den Jahren der Sonnenfinsternis“ gesehen werden. Es behandelt wiederum die noch gar nicht so weit zurückliegende konfliktreiche deutsche Geschichte, die auch in der Gegenwart nichts von ihrer Brisanz eingebüßt hat. Erneut verwebt die Autorin Autobiografisches mit Fiktivem und verarbeitet außerdem Berichte der von ihr gehörten Zeitzeugen.